Verbraucher schwenken um: Konserve statt Frischgemüse

Düsseldorf (dpa) - Was essen wir denn jetzt? Kommt nichts Grünes mehr auf den Speiseplan? Viele Familien haben aus Furcht vor dem EHEC-Erreger ihre Einkaufszettel geändert. Der deutsche Einzelhandel berichtet von Umsatzeinbrüchen bei frischem Obst und Gemüse von 30 bis 40 Prozent.

Dafür gehen jetzt Tiefkühlkost und Konserven häufiger über die Laufbänder der Kassen. Die Verbraucher geben in diesen Tagen auch für Desinfektions- und Reinigungsmittel spürbar mehr Geld aus.

„Es gibt einen deutlichen Trend zu Tiefkühlkost und Konserven. Das ist eindeutig“, sagte ein Sprecher der Rewe. Eine Größenordnung zu nennen wie 15, 20 oder 30 Prozent Umsatzplus, dafür sei es zu früh. Die Verbraucher seien insgesamt zurückhaltend in der Warengruppe Obst und Gemüse. Der Kölner Genossenschaftsverbund ist der zweitgrößte Lebensmittelhändler in Deutschland. Die Nummer 1, Edeka, äußerte sich zum Absatz in den einzelnen Warensortimenten am Donnerstag nicht.

Deutschlands größter Handelskonzern Metro berichtet ähnlich wie Rewe, Tiefkühlgemüse und Tiefkühlobst seien in der Verbrauchergunst ein Favorit. Aber auch an Gemüseständen griffen die Kunden weiterhin zu: Bei Chinakohl als Alternative zu Kopfsalat sowie Bohnen und Kohlrabi steige der Absatz. Zudem sei eine „Verlagerung von frischem Gemüse und Salaten auf frisches Obst zu erkennen“, sagte eine Sprecherin. In den Metro-Großhandelsmärkten für Gewerbetreibende seien zum Beispiel Melonen jetzt besonders beliebt.

Auch Konserven sind sehr gefragt. „Bei Konserven gibt es einen Absatzzuwachs im zweistelligen Bereich“, sagte die Sprecherin der Metro AG weiter. An erster Stelle nannte sie dabei saure Gurken und Dosengemüse. Zu Metro gehören unter anderem die Einzelhandelstöchter Real und Kaufhof. Außerdem seien Desinfektions- und Reinigungsmittel sowie spezielle Handseife bei den Konsumenten gegenwärtig stark gefragt. Die Zuwächse bei einzelnen Produkten lägen im höheren zweistelligen Prozentbereich.

Die Supermarktkette Kaiser's Tengelmann verzeichnete auch eine Zunahme beim Verkauf von Konserven und Tiefkühlware. Massive Rückgänge von bis zu 80 Prozent gebe es bei Gurken. Die Abnahme von Tomaten und Salat sei um bis zu 60 Prozent eingebrochen. Sprossen habe die Kette vorsorglich aus dem Sortiment genommen. Auch Salatzutaten wie Dressing und Croutons würden weniger gekauft.

Tiefgekühlte Lebensmittel und Fertiggerichte erfreuen sich schon seit längerem in Deutschland großer Beliebtheit. 2010 kletterte der Pro-Kopf-Verbrauch erstmals auf mehr als 40 Kilogramm im Jahr, wie das Deutsche Tiefkühlinstitut Mitte April berichtete. Gegenüber 2009 verspeiste statistisch gesehen damit jeder Bundesbürger fast ein Kilogramm mehr. Der Gesamtumsatz im Lebensmittel-Einzelhandel und Großverbraucherbereich - inklusive Lieferdiensten und Discountern - stieg im vergangenen Jahr um 1,3 Prozent auf gut 11,4 Milliarden Euro.

Marktforscher analysieren derzeit das Einkaufsverhalten der Verbraucher vor dem Hintergrund der gefährlichen EHEC-Infektionen. Dabei müssen auch Aktionen wie Preisreduzierungen oder Sonder- Verpackungsgrößen sowie Kalendereffekte wie Einkäufe vor Feiertagen beachtet werden, um ein umfassendes Bild zu bekommen. Ob und wie groß EHEC eine Umsatzdelle im deutschen Lebensmittelhandel erzeugt hat, dazu wollen verschiedene Marktforscher noch keine Aussagen treffen.

Mehrere große Lebensmittelhersteller hielten sich am Donnerstag zu Absatzzahlen bedeckt. Lediglich Frosta äußerte sich in einer dpa-Umfrage: „Wir haben leichte Steigerungen“, sagte Finanzvorstand Stephan Hinrichs. Die gesamte Palette an Gemüse- und Fisch-Tiefkühlprodukten aus dem Hause Frosta laufe gut und tendenziell besser als erwartet. „Es ist aber nicht so wie bei BSE, als die Verbraucher scharenweise zu Fisch überliefen.“

Beachtung findet in Branchenkreisen, wie schnell die Verbraucher ihr Einkaufverhalten geändert haben - binnen weniger Stunden und Tage. Bei einem anderen Unternehmen klang Genugtuung an, dass Verbraucher in Krisenzeiten verstärkt zu den sonst oft gescholtenen industriell hergestellten Nahrungsmitteln greifen. Laut einer Online-Umfrage der Nielsen-Marktforscher von 2010 sehen drei Viertel der Deutschen die Hauptverantwortung für sichere Lebensmittel bei der Industrie.