Gericht Nach Böllerwurf auf Polizisten: Richterin staucht KFC-Fan zusammen

Krefeld · Nach den Angriffen an der Grotenburg auf den MSV-Bus im Oktober 2023 steht ein Krefelder vor dem Amtsgericht. Klar bewiesen werden kann ihm der Angriff auf die Polizei auch durch ein Video nicht – dennoch ist die Richterin von seiner Schuld überzeugt.

Noch bevor das Pokalspiel des KFC gegen den MSV Duisburg am 11. Okotber 2023 (Endstand: 1:0) begann, kam es zu Zusammenstößen. Viele KFC-Fans stürmten auf den MSV-Bus los und attackierten diesen an der Tankstelle an der Grotenburg.

Foto: Leonhard Giesberts/NNS Krefeld

Falsch abgebogen war der Fahrer des MSV-Duisburg-Mannschaftsbusses an diesem späten Mittwochnachmittag im Oktober 2023, und so kutschierte er den Bus direkt zwischen dem Grotenburg-Stadion und der Shell-Tankstelle hindurch – und vorbei an rund 200 Hardcore-Fans des KFC Uerdingen. Es gab Randale, Fans schlugen und traten gegen den MSV-Bus, es flogen Bierflaschen und Feuerwerkskörper, auch als die Polizei massiv einschritt. Ein 27-jähriger Krefelder muss sich am Montag wegen gefährlicher Körperverletzung und Angriffs auf Amtsträger vor Gericht verantworten. Nach gut zwei Stunden das Urteil – fast wie vom Staatsanwalt gefordert: Freiheitsstrafe von einem Jahr (zur Bewährung), Ausgleichszahlung von je 600 Euro an die beiden verletzten Polizisten plus 1000 Euro Schmerzensgeld für einen der beiden. Dazu hält die Richterin dem Verurteilten in ihrer Urteilsbegründung eine Gardinenpredigt, die sich gewaschen hat.

Aber der Reihe nach: Der angeklagte 1,95-Meter-Hüne H., durchtrainiert, blonder Kurzhaarschnitt, absolviert nach seinem Fachabitur gerade eine Schreinerlehre, will sich zu den Vorwürfen nicht äußern, lässt seinen Anwalt sprechen. Der konkrete Vorwurf: H. soll einen Feuerwerkskörper in Richtung der Polizei geworfen haben, der dann auch zwischen zwei Beamten explodiert ist.

Klar zu sehen ist nicht, wer den Böller geworfen hat

Die beiden Polizisten der Bochumer Polizei treten als Zeugen auf, berichten, wie plötzlich der MSV-Bus vorfuhr und sich daraufhin etwa 100 der 200 KFC-Fans zur Attacke auf den Bus in Bewegung setzten; dann der Knall zu ihren Füßen, ein Beamter kommt mit einem rund 15-minütigen Tinnitus davon („Danach war alles wieder okay“), sein Kollege jedoch erleidet ein Knalltrauma, wird im Krankenhaus behandelt, ist sechs Tage arbeitsunfähig, Folgeschäden gibt es zum Glück nicht. Wer den Böller geworfen hat, haben beide nicht gesehen. Auf die Spur des Angeklagten führt eine Videoaufzeichnung, die die „Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit“ (die an diesem 11. Oktober 2023 ebenfalls aus Bochum nach Krefeld gekommen war) gemacht hat. Denn der Kollege, der das etwa zehnminütige Video der Randale noch vor Ort auswertete, erkannte H. anhand seiner Kleidung, genauer gesagt: An Details daran, denn grundsätzlich liefen die 200 Krefelder Fans an der Tankstelle im Einheitslook auf: weiße Sneaker, Bluejeans, schwarze Hoodies.

H. aber hatte besondere Applikationen an seinem Hoodie, zudem trug er einen schwarzen Schlauchschal über das halbe Gesicht gezogen, eine schwarze Umhängetasche (in der sich später ein Zahnschutz und eine Sturmhaube fanden): Außerdem ist auf dem Video ein blonder Haaransatz zu erkennen bei der Person, die sich an der Tankstelle nach der Böller-Explosion plötzlich abduckt und in gebückter Haltung vom Tatort entfernt.

Im Gerichtssaal schauen die Parteien gemeinsam das Video in Gänze und in den entscheidenden Sequenzen. Zwar sieht der Verteidiger in keiner Sekunde seinen Mandanten klar identifiziert und betont, dass vor allem auch der Böllerwurf nicht zu sehen ist („Den könnte somit jeder der Fans getätigt haben“), ergo plädiert er auf Freispruch. Die Richterin aber hat genug gesehen: „Der Teufel steckt hier im Detail Ihrer Kleidung und der Umhängetasche, die bei den anderen Fans nicht zu sehen sind. In der Gesamtschau habe ich keine Zweifel, dass Sie den Böller geworfen und dadurch zwei Polizisten verletzt haben.“

Und dann sagt sie dem Angeklagten mehr als deutlich, was sie von seiner Tat hält: „Polizisten sind die einzigen Besucher bei einem Fußballspiel, die nicht freiwillig da sind, sie müssen da ihren Job machen. Und dann greifen Sie diese Polizisten einfach an, das ist wirklich unterste Stufe für mich.“ Der Angeklagte sei eigentlich auf dem richtigen Weg nach seinem Fachabi und in der Lehre, er habe Gewalt doch gar nicht nötig: „Das Urteil ist auch eine Warnung: Bauen Sie ihre Aggressionen nie wieder beim Fußball oder überhaupt gegenüber Menschen ab, die keine Konfrontation suchen.“ Schon beim kleinsten Zwischenfall in den nächsten drei Jahren werde sie nicht zögern, die Bewährungs- in eine Haftstrafe umzuwandeln.