Fraktionschef Volker Kauder: Merkels Mann für schwierige Missionen
Berlin (dpa) - Volker Kauder gilt als großer Freund der freien Rede - im Bundestag geht er so gut wie nie mit Sprechzettel ans Pult.
Bei seinen Scharmützeln ficht er verbal nicht nur mit dem Florett, gerne greift er auch mal zum gröberen Säbel, um den politischen Gegner in die Schranken zu weisen. Das dürfte auch künftig nicht anders werden, wenn die Rechtspopulisten von der AfD mit im Plenum sitzen.
Kampferprobt, mit allen parlamentarischen Finessen vertraut, angstfrei vor dem politischen Gegner: Kauder gilt als einer der engsten Vertrauten von CDU-Chefin Angela Merkel, nicht erst, seit sie 2005 Kanzlerin wurde. In der Auseinandersetzung mit den zu erwartenden AfD-Provokationen im Reichstagsgebäude könnte er noch wichtiger für sie werden. Am Dienstag wollen Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer den 68 Jahre alte Juristen erneut als Fraktionschef vorschlagen.
Nicht umsonst gab es vor der Bundestagswahl Spekulationen, Kauder könne auf den wichtigen Posten des Parlamentspräsidenten wechseln. Nachdem der quer durch alle Fraktionen geachtete Norbert Lammert (CDU) nicht mehr für den Bundestag kandidiert hat, ist das wichtige Parlamentsamt für die nächste Legislatur vakant. Dem robusten Fraktions-Vormann Kauder wurde in der Union allemal zugetraut, als Bundestagspräsident den richtigen Ton gegenüber der AfD zu finden.
Doch Kauder wollte lieber Fraktionschef bleiben - diesen Posten hält er schon lange für einen der politischen Jobs mit den größten Gestaltungsmöglichkeiten überhaupt. Einen Wechsel ins Kabinett hatte der Baden-Württemberger deshalb immer dankend abgelehnt.
Schon seit Anfang 2005 ist Kauder - länger als alle seine Vorgänger - Chef der Unionsfraktion. Seit 1990 sitzt er im Bundesparlament. Von 1991 bis 2005 war er Generalsekretär der CDU in Baden-Württemberg, von 2002 bis 2005 Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion unter der damaligen Vorsitzenden Merkel. Als sie 2005 das Kanzleramt eroberte, wurde Kauder Fraktionschef. Bis heute hat sich an ihrem vertrauensvollen Verhältnis nichts geändert.
Doch nicht nur die Auseinandersetzung mit der AfD wird in den nächsten Monaten und Jahren zu einer der wichtigen Aufgaben Kauders gehören. Gerade in einer wegen des miesen Wahlergebnisses womöglich murrenden Fraktionsgemeinschaft mit der CSU dürften seine ausgleichenden, aber manchmal auch bollernden Qualitäten für Merkel und Seehofer wichtig werden.
Und auch falls es am Ende tatsächlich zur ersten Jamaika-Koalition im Bund mit CDU, CSU, FDP und Grünen kommt, wird Kauder Fingerspitzengefühl und Durchsetzungsstärke zugleich beweisen müssen, wenn er der Kanzlerin Mehrheiten für ungeliebte Kompromisse mit den neuen Partnern beschaffen will. Zugleich dürfte dann eine der zentralen Aufgaben Kauders sein, den Koalitionsfrieden zu sichern.
Ob die Zusammenarbeit mit den Parteifreunden von der kleinen bayerischen Schwester künftig so reibungslos verläuft wie bisher, ist offen. Die scheidende CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt - auch sie galt als Vertraute Merkels - ist nicht mehr im neuen Parlament. Sollte der bisherige Verkehrsminister Alexander Dobrindt erwartungsgemäß am Dienstag vor der Sitzung der Gesamtfraktion zum neuen Chef der bayerischen CSU-Abgeordneten gewählt werden, dürfte er auch angesichts der CSU-Schlappe bei der Bundestagswahl in Bayern weit mehr auf Eigenständigkeit setzen, als Hasselfeldt dies in den vergangenen Jahren getan hatte.
Zurück zur AfD: Wie wichtig eine geschickte Auseinandersetzung mit den Rechtspopulisten sein wird, hat Kauder am Sonntag schmerzlich im eigenen Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen erfahren. Dort konnte er zwar sein Direktmandat mit 43 Prozent der Erststimmen verteidigen, die CDU musste aber ein Zweitstimmen-Minus von fast 14 Punkten verkraften. Die AfD legte mehr als 8 Punkte auf 13,9 Prozent zu. Die Heimatzeitungen schrieben schon vom „Waterloo“ für den Fraktionschef. Aber wer ihn kennt weiß: Kauder hat Nehmerqualitäten.