Volkswirt: Kein „zweites Griechenland“ in Italien

Frankfurt/Main/Berlin (dpa) - Italiens Finanzlage ist nach Einschätzung der DekaBank weniger dramatisch als in anderen Eurostaaten. „Italien ist ökonomisch gesehen in einer ganz anderen Schublade als Griechenland“, sagte DekaBank-Chefvolkswirt Ulrich Kater am Montag der Nachrichtenagentur dpa.

Ein „zweites Griechenland“ sei nicht zu erwarten. „Ich glaube, Italien ist in der Lage, auch mit höheren Zinsen eine Weile lang zu leben.“ Das Problem sei derzeit vor allem die Übertreibung, mit der die Märkte auf die Schuldenkrise der Eurostaaten reagierten.

Am Montag waren die Risikoaufschläge für italienische Staatstitel mit zehnjähriger Laufzeit auf neue Rekordstände gestiegen. Dabei habe sich die Lage nicht fundamental geändert, sagte Kater. Darum gebe es keinen eigentlich Grund für die Abwertung durch die Ratingagenturen. Diese hatten zuletzt das Kreditrisiko bei Euroländer wie Griechenland, Irland oder Portugal immer schlechter bewertet und so für eine höhere Gefahrenzulage bei deren Staatsanleihen gesorgt. Italien, die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft, hat einen Schuldenberg von 1,84 Billionen Euro (2010) angehäuft.

„Der Risikoaufschlag ist ein Kennzeichen dafür, dass Italien in eine Spekulationswelle hineinkommt.“ Die Märkte suchten nun systematisch nach Schwachstellen der Euro-Länder, „um dann spekulative Geschichten zu schreiben“.

Zwar habe Italien bereits vor der Finanz- und Wirtschaftskrise damit angefangen, auf seine Solidität zu achten. So habe Rom schon früh eine Rentenreform durchgeführt und in der Krise kleinere Konjunkturprogramme aufgelegt. „Aber die Geschwindigkeit der Verbesserungen war eben nicht groß genug, um vor der Krise den Haushalt noch in Ordnung zu kriegen.“

Mitschuld für die Spekulationswelle trägt nach Katers Worten die europäische Finanzpolitik, die Probleme in der Währungsunion nicht rechtzeitig und energisch genug angegangen sei. „Wir sind mit zu hohen Schuldenständen in die Krise hineingegangen“, betonte Kater. „Jedes Land muss sich da in seiner Verantwortung für die gesamte Eurozone und damit seiner Nachbarn an die eigene Nase fassen.“

Das Grundproblem liege nicht nur bei den Ratingagenturen allein, glaubt Kater. Die Staaten hätten sich an den Finanzmärkten verschuldet und müssten nun auch mit deren Regeln umgehen. „Ich glaube, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis auch die Amerikaner ins Fadenkreuz der Ratingagenturen kommen.“

Hoch verschuldete Staaten wie Italien müssten den Märkten nun glaubhafte Perspektiven aufweisen, um wieder Vertrauen zurückzugewinnen. Nach Ansicht des Experten sind nun gesamteuropäische Anstrengungen als glaubhaftes Bekenntnis zum Euro nötig - etwa Schuldenbegrenzung und langfristige Finanzprogramme.