Vom Unterabteilungsleiter zum Krisenmanager des Verfassungsschutzes
Berlin (dpa) - Wohl noch nie war die Besetzung des Spitzenpostens beim Bundesamt für Verfassungsschutz so wichtig wie diesmal. Das Amt steckt in der wahrscheinlich tiefsten Krise seiner Geschichte.
Ermittlungspannen und Aktenvernichtung haben das Ansehen der „Schlapphüte“ in der Bevölkerung schwer beschädigt. Die Politik plant einen weitgehenden Umbau der Behörde, einige Vertreter von Grünen und Linken würden das Amt am liebsten ganz abschaffen.
In dieser Situation soll Dr. Hans-Georg Maaßen, Ministerialdirigent im Bundesinnenministerium, zuständig für Terrorismusbekämpfung, Präsident des Bundesverfassungsschutzes werden. Ein Mann aus der vierten Reihe der Ministerialbürokratie soll es also richten und die anstehende Großreform managen.
Er tritt in große Fußstapfen. Erich Fromm hat den Verfassungsschutz zwölf Jahre geleitet. Die Ermittlungspannen und die Aktenvernichtung im Zusammenhang mit der Neonazi-Affäre werden ihm nicht persönlich angelastet, er übernahm aber die Verantwortung dafür und trat zurück. Für seine Nachfolge wären traditionell Leiter der Landesverfassungsschutzämter oder hochrangige Mitarbeiter aus dem Bundesamt infrage gekommen. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich entschied sich aber dafür, jemanden von außerhalb auf dem Chefposten des Inlandsgeheimdienstes zu installieren.
Maaßen ist für die breite Öffentlichkeit ein unbeschriebenes Blatt. Bei Wikipedia gibt es ihn noch nicht und über Google stößt man zunächst einmal auf die Freie Universität Berlin, wo er als Lehrbeauftragter geführt wird. Vielen Abgeordneten im Bundestag ist der 1962 geborene Jurist allerdings nicht ganz unbekannt. 2007 sagte er zweimal vor dem BND-Untersuchungsausschuss aus.
Maaßen war damals Referatsleiter für Ausländerrecht und für den Fall Murat Kurnaz zuständig. Der in Deutschland geborene Türke hatte jahrelang unschuldig im US-amerikanischen Gefangenenlager Guantánamo eingesessen. Der Untersuchungsausschuss wurde damals eingesetzt, um zu klären, ob die Bundesregierung dafür mitverantwortlich war. Als Zeuge Nummer 79 musste Maaßen damals für das Innenministerium begründen, warum Kurnaz keine Einreisegenehmigung nach Deutschland bekam.
Inzwischen ist der gebürtige Mönchengladbacher, der bereits 21 Jahre im Bundesinnenministerium arbeitet, Leiter der Unterabteilung für Terrorismusbekämpfung. Damit liegt er schon deutlich näher an seinen künftigen Aufgaben. Im derzeitigen Untersuchungsausschuss zur Terrororganisation Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) vertritt Maaßen die Bundesregierung und hat beispielsweise vor zwei Wochen die Einsicht in geheime Akten für die Obleute organisiert.
Ob seine Qualifikationen für die neuen Aufgaben ausreichen, wird allerdings von so manchem Abgeordneten bezweifelt. „Ich wüsste nicht, welche Erfahrung er hat, die ihn qualifizieren für die Neuaufstellung des Bundesamtes für Verfassungsschutz“, sagt beispielsweise der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele. „Hier geht es ja nicht um einen normalen Präsidentenwechsel.“
Der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Wolfgang Bosbach, hält Maaßen dagegen für bestens geeignet. „Ich habe ihn in langer Zusammenarbeit kennen und schätzen gelernt“, sagt er. Maaßen sei ein „erfahrener Verwaltungsfachmann“, der sich bisher in jeder Position bewährt habe. „Ich traue ihm zu, dass er den Verfassungsschutz, der sich in schwerem Fahrwasser befindet, wieder auf einen guten Kurs bringt.“