Fragen und Antworten Von der Leyen wagt die Flucht nach vorn
Berlin (dpa) - Die Affäre um den rechtsextremen Soldaten Franco A. schadet dem Ruf der Bundeswehr und setzt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen unter Druck. Die CDU-Politikerin will die Truppe nun verändern - auf den Kopf stellen will sie sie aber nicht.
Das verkündete sie nach der Sondersitzung des Verteidigungsausschusses.
Was ist im Ausschuss genau passiert?
Die Parlamentarier nahmen von der Leyen ganze drei Stunden lang ins Kreuzverhör. Es ging um die Führungskultur in der Truppe, um Meldeketten, um die Durchkämmung aller Kasernen nach Wehrmachtsandenken. Im Mittelpunkt stand aber sicher der Umgang des Ministeriums mit der Affäre Franco A.: Mit Hilfe seiner Komplizen wollte der Soldat laut Bundesanwaltschaft als falscher Flüchtling einen Anschlag verüben. Auch die Kommunikation und Aufklärung der Ministerin kam im Ausschuss zur Sprache. Von der Leyen sprach von einer umfassenden Diskussion - die Opposition zeigte sich unzufrieden mit den Antworten.
Was hat von der Leyen nun vor?
Sie will die aktuellen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen die rechten Kameraden unterstützen, aber auch ihren eigenen Laden umkrempeln. Ihr geht es dabei um Werte, „bis in jede Verästelung der Bundeswehr hinein“. Von der Leyen verspricht einen breiten Prozess, „vom Rekruten bis zum General, vom Referenten bis zur Ministerin“. Dabei zähle aber das richtige Maß. „Wir dürfen nicht alles in Bausch und Bogen über Bord werfen.“
Was soll sich in der Truppe konkret ändern?
Die unter Druck stehende Ministerin kündigte eine Überprüfung der Wehrdisziplinarordnung an, damit Missstände in der Meldekette nicht länger versickern. Die politische Bildung der Soldaten, auch Ausbildung und Erziehung sollen auf den Prüfstand kommen. Von der Leyen will ein neues Programm „Innere Führung heute“ auflegen und den sogenannten Traditionserlass von 1982 überarbeiten. Dabei handelt es sich um ein umstrittenes Regelwerk, das seit mehr als 30 Jahren nicht mehr angetastet wurde. Es hält fest, wie die Bundeswehr mit ihren historischen Ursprüngen umgehen soll. Derzeit werden Kasernen nach Wehrmachtsandenken - etwa Stahlhelme oder Gewehre - durchsucht.
Wieso steht die Bundeswehr eigentlich in der Kritik?
Franco A. fiel in der Truppe bereits vor längerer Zeit mit fremdenfeindlichen Einstellungen auf - unter anderem durch eine 2013 verfasste rassistische Masterarbeit und durch Wehrmachtsdevotionalien auf seiner Stube. Das hatte aber keine Folgen für ihn. Sein 24-jähriger mutmaßlicher Komplize hortete Munition aus Beständen der Bundeswehr. Und der Militärische Abschirmdienst MAD hatte den am Dienstag verhafteten Maximilian T. bereits einmal im Visier. Er wollte einen Kameraden alkoholisiert in einer Disco für „Aktionen gegen Ausländer“ anwerben. Die Ermittlungen verliefen aber im Sand.
Liegt ein Terrornetzwerk vor?
Zwei rechtsextreme Soldaten und ein Student sitzen bereits in Untersuchungshaft. Immer mehr Beobachter sprechen von einer rechten Zelle. Es gebe aber nach wie vor keine Hinweise auf ein Netzwerk, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Mittwoch. Der Begriff sei „aus juristischer Sicht irreführend“.
Gibt es noch mehr Verdächtige?
Das ist unklar. Nach der Festnahme von Franco A. gerieten vier weitere Soldaten aus seinem Umfeld ins Visier der Ermittler, drei aktive Offiziere - einer davon Maximilian T. - und ein Reservist der Bundeswehr, der in Österreich lebt. Welche Rolle die Soldaten hatten und ob noch weitere Männer festgenommen werden, ist noch offen.
Wie sicher sitzt von der Leyen im Sattel?
Noch sicher, auch wenn die Lage derzeit ungemütlich für sie sein dürfte. Je länger sich die Affäre hinzieht, desto heftiger wird die Kritik an von der Leyen. Die Opposition spricht von Totalversagen. Auch der Koalitionspartner SPD wirft ihr mittlerweile schwere Versäumnisse vor. Ihren Rücktritt fordert aber derzeit noch keiner.