Vor 25 Jahren: US-Blitzaktion gegen Libyen
Washington (dpa) - Es war der bis dahin größte US-Luftangriff seit Vietnam, Vergeltung für den Anschlag auf die Berliner Disco „La Belle“: der Angriff auf Gaddafis Libyen. 25 Jahre später ist Gaddafi immer noch an der Macht - und fordert die Nato heraus.
Damals fackelten die USA nicht lange. Keine zeitaufwendige Suche nach Verbündeten, die mitziehen, kein Warten auf ein UN-Mandat, nicht die geringste Sorge, was die Welt denn von diesem Militärschlag hält. Vor 25 Jahren, in der Nacht zum 15. April 1986, erteilte Ronald Reagan den Befehl zum Angriff gegen den „verrückten Hund des Nahen Osten“, wie der US-Präsident den libyschen Machthaber Muammar al-Gaddafi nannte.
Die „Operation El Dorado Canyon“ kam wie ein Blitz. Sie war kurz, gerade mal eine halbe Stunde lang - ein weiterer der vielen Gegensätze zum aktuellen Nato-geführten Militäreinsatz in Libyen. Wie lange die derzeitige Mission dauert, diesmal ausdrücklich zum Schutz der libyschen Zivilisten vor Gaddafis Truppen und sanktioniert von den UN, „das weiß keiner“, räumt selbst US-Verteidigungsminister Robert Gates ein.
Und wird es diesmal gelingen, Gaddafi so zu schwächen, dass er die Macht abgibt? Bis jetzt sieht es nicht danach aus - und auch damals, vor 25 Jahren, zeigte sich der „verrückte Hund“ wenig beeindruckt.
Die Spannungen hatten sich schon lange vorher aufgebaut, lange vor dem Terroranschlag auf die bei US-Soldaten beliebte Berliner Diskothek „La Belle“ am 5. April 1986 mit drei Toten und rund 200 Verletzten. Die Anlehnung Gaddafis an die Sowjetunion, seine Unterstützung für das kommunistische Regime und für Gruppen, die von den USA als Terroristen angesehen wurden, erregte zusehends den Unmut Washingtons. Gaddafi provozierte unter anderem mit seevölkerrechtswidrigen Ansprüchen auf die Große Syrte. Unter Reagan kam es hier dann auch zu Seegefechten.
Schon nach den Terroranschlägen auf die Flughäfen von Rom und Wien im Dezember 1985 gab es für die USA keinen Zweifel: Dahinter steckt Gaddafi. Die Terrorattacke auf die Diskothek brachte für die Amerikaner dann das Fass zum Überlaufen - oder, wie Kritiker meinen, den seit langem von den USA erhofften Grund zum Zuschlagen. Gaddafis Verwicklung in das Verbrechen von Berlin sei „einwandfrei“ erwiesen, sagte Reagan später in einer Fernsehansprache. Da war die „Operation El Dorado Canyon“ schon vorbei.
Sie begann um 0200 Uhr MESZ. 18 Schwenkflügel-Bomber des Typs F-111 und 15 Jagdbomber der Typen A-6 und A-7 schickte Pentagonchef Caspar Weinberger auf den Weg. Die F-111 kamen aus Großbritannien und mussten rund 4500 Kilometer zurücklegen, ehe sie Libyen erreichten. Der Grund: Im Gegensatz zu den derzeitigen Luftangriffen war es den USA nicht gelungen, eine internationale Koalition gegen Gaddafi zustande zu bekommen. Weil Paris den Überflug nicht genehmigte, mussten die US-Maschinen um Frankreich, Spanien sowie Portugal herumfliegen und in der Luft aufgetankt werden.
Die A-6 und A-7 stiegen von den Flugzeugträgern „America“ und „Coral Sea“ im Mittelmeer auf. Angriffsziele waren Truppenunterkünfte, Hafenanlagen und der militärische Teil des Flughafens von Tripolis. In Bengasi wurden Kasernen und ein Fliegerhorst bombardiert. Nach unterschiedlichen westlichen Medienberichten kamen 60 bis 100 Menschen ums Leben. In Tripolis wurden auch mehrere Wohnhäuser schwer beschädigt und die Botschaften Frankreichs, der Schweiz und anderer Staaten getroffen.
Den USA sei es darum gegangen, die „terroristische Infrastruktur“ Gaddafis zu schwächen, erklärte Washington. US-Medien gingen davon aus, dass es hauptsächlich ein anderes Ziel gab: Gaddafi zu töten. Der Machthaber überlebte. Aber eine 15 Monate alte Adoptivtochter kam ums Leben, Gaddafis Frau und weitere Kinder wurden verletzt.
Die UN-Vollversammlung verurteilte die US-Angriffe als „Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen und das internationale Recht“. Reagan sah das ganz anders. „Wenn unsere Bürger irgendwo auf der Welt auf direkte Anordnung feindlicher Regime angegriffen oder misshandelt werden, werden wir antworten“, sagte der Präsident im Fernsehen. Amerika habe sein Recht auf Selbstverteidigung entsprechend Artikel 51 der UN-Charta ausgeübt.
Der Präsident erläuterte der Nation die „direkten, präzisen und unwiderlegbaren Beweise“ der Amerikaner für die Verwicklung Gaddafis in den Berliner Anschlag. Gaddafi, so sagte er, habe erwartet, dass sich die USA passiv verhalten würden, „aber er hat sich verrechnet. (...) Heute haben wir getan, was wir zu tun hatten. Wenn notwendig, werden wir es wieder tun.“