Vorläufig Frieden: Seehofer und die Flüchtlingskrise

München (dpa) - Wie hatte Horst Seehofer gedroht und gepoltert, wie hatte er kritisiert und geklagt: Die Flüchtlingszahlen müssten endlich begrenzt werden — so lautete in den vergangenen Tagen und Wochen seine immer lautere Forderung an Kanzlerin Angela Merkel.

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Nach dem unions- und koalitionsinternen Verhandlungsmarathon am Wochenende in Berlin gibt sich der CSU-Chef nun demonstrativ zufrieden. „Wir sind zu einer klaren Vereinbarung gekommen, schriftlich niedergelegt, dass die Flüchtlingszahlen zu reduzieren sind“, sagt Seehofer, als er nach München kommt, um dem CSU-Vorstand Bericht zu erstatten.

Den Streit mit Merkel erklärt er für beendet — vorerst. Doch nicht alle teilen seinen Optimismus — nicht einmal in seinem eigenen Parteivorstand.

Seehofer hat Merkel aus seiner Sicht einige Zugeständnisse abgerungen, die er nun als Erfolg verkauft:
- das Ziel, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren,
- das Ziel einer schnellen Einrichtung von Transitzonen,
- die laut Seehofer „Absage an eine Multikulti-Gesellschaft“,
- das Ziel, in den Verhandlungen mit der Türkei eine Kontingentierung der Flüchtlinge zu erreichen,
- das Ziel, in Afghanistan Schutzzonen für Flüchtlinge einzurichten.

Doch nicht jeder in der CSU sieht das Verhandlungsergebnis als Erfolg an. Zu ungewiss ist angesichts des harten SPD-Widerstands schon allein, ob die Transitzonen wirklich kommen.

Und völlig unklar ist, wie und ob all die vereinbarten Maßnahmen wirklich helfen, die Zahl der Flüchtlinge spürbar zu reduzieren — und zwar nicht irgendwann, sondern möglichst schnell. Schließlich vergeht kaum ein Tag, an dem nicht irgendein bayerischer Landrat oder Bürgermeister Seehofer sein Leid klagt. Die Bilder von Tausenden Flüchtlingen, die täglich über die österreichische Grenze kommen, sprechen für sich.

Seehofer wollte ein Signal der Kanzlerin erwirken, dass Deutschlands Aufnahmekapazitäten begrenzt seien. Und vor allem wollte, ja musste er irgendetwas erreichen, um die Flüchtlingszahlen irgendwie zu senken. Die Erwartungen an ihn, die er mit seinen „Notwehr“-Drohungen und Ultimaten an die Kanzlerin noch befeuert hatte, waren enorm.

Und gemessen daran fällt das Urteil in München am Montag gemischt aus. „In keiner Weise“ habe er die von ihm so hoch geschraubten Erwartungen erfüllt, sagt einer aus dem Parteivorstand. „Wir reden über Verteilen und Abschieben. Aber wie wir die Zahl der Zuwanderer senken können, das wissen wir noch immer nicht“, sagt ein anderer. Offen bleibt weiter, wie die Transitzonen eigentlich praktisch ausgestaltet werden sollen.

Seehofer demonstriert — um nicht als Verlierer angesehen zu werden — Optimismus. Wieder und wieder fallen die Worte „zufrieden“, „zufriedenstellend“, „ganz wichtiges Signal“, „Handschrift der CSU“. Doch betont er auch selbst mehrfach, er sei „für den Moment“ zufrieden. Man habe noch ein gehöriges Stück Arbeit zu leisten — und dabei habe das Jahr 2015 nur noch wenige Wochen.

Seehofer verweist insbesondere darauf, dass sich die Union künftig alle zwei Wochen treffe, um zu diskutieren, ob die verabredeten und eingeleiteten Maßnahmen greifen — und ob weitere Maßnahmen nötig sind. Die Drohung mit der bayerischen „Notwehr“ oder mit einer Verfassungsklage ist nicht komplett vom Tisch. Zwar gebe es derzeit keine Notwendigkeit dafür, betont Seehofer mehrfach. „Keine Drohung, kein Ultimatum, keine Unzufriedenheit.“ Aber die Politik habe eben immer die Pflicht, sich auf „alle Eventualitäten“ einzustellen.

Finanzminister Markus Söder (CSU) drückt es so aus: „Abgerechnet wird am Schluss an der Grenze.“ Und auch Seehofer sagt drinnen, hinter verschlossenen Türen: Der Moment, an dem er zufrieden sei, könne für ihn auch ganz schnell wieder vorbei sein. Man stehe unter Zeitdruck.