Wahlen in Athen: Regierung verliert Mehrheit
Athen (dpa) - Nach zwei Jahren harter Sparpolitik ohne Aussichten auf Besserung haben die Wähler in Griechenland die etablierten Parteien abgestraft.
Konservative und Sozialisten können weder alleine noch zusammen weiterregieren. „Wahl des Zornes“ titelte die Athener Zeitung „Ethnos“. Nun zeichnet sich eine äußerst schwierige Regierungsbildung ab. Nach Auszählung von mehr als 99,2 Prozent der abgegebenen Stimmen haben die Verfechter des umstrittenen Sparprogramms die Mehrheit im Parlament um zwei Abgeordnete verfehlt. Die konservative Nea Dimokratia (ND) und die sozialistische Pasok entsenden nach Angaben des Innenministeriums in Athen zusammen 149 Abgeordnete in das Parlament. Dort sitzen 300 Abgeordnete. Demoskopen schlossen am Montag Neuwahlen nicht aus. „Alptraum der Regierungslosigkeit“, titelte die Athener Zeitung „Ta Nea“.
Zunächst hatte sich eine knappe Mehrheit für beide Parteien abgezeichnet, in der Nacht zum Montag kippte der Vorsprung jedoch. Mit der Auszählung der Stimmen aus Arbeiterregionen rund um Athen schmolz die Zahl der Sitze der Parteien, die in den vergangenen Jahrzehnten immer abwechselnd die Regierung gebildet hatten.
Der Vorsitzende der stärksten Partei Nea Dimokratia, Antonis Samaras, kündigte an, gemeinsam mit der Pasok sowie weiteren Parteien eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Bedingungen seien der Verbleib in der Eurozone und die Fortsetzung des Sparkurses, allerdings mit einem flankierenden Wachstumsprogramm.
Die griechische Wirtschaft schrumpfte in den vergangenen drei Jahren um 15 Prozent. Die EU und die Regierungen in Athen sprachen zwar immer wieder davon, dass Wachstum und neue Investitionen notwendig seien, taten aber nichts Konkretes. Samaras stellt das Sparprogramm nicht infrage.
Als Koalitionspartner der traditionellen Regierungsparteien kämen die Unabhängigen Griechen in Frage. Diese eher antieuropäische rechtsorientierte Partei hat 33 Sitze im Parlament. Auch auf eine Einbindung der kleinen gemäßigten Partei Demokratische Linke (19 Sitze) wird spekuliert. Ihre Führung wies Koalitionen zunächst zurück. „Wir werden den etablierten Parteien kein linkes Alibi geben“, sagte der Chef der Demokratischen Linken, Fotis Kouvelis, im Fernsehen.
Staatspräsident Karolos Papoulias wollte noch am Montagabend den Chef der Konservativen, Samaras, mit der Regierungsbildung beauftragen. Auch der Chef der Sozialisten, Evangelos Venizelos, erklärte, er sei bereit, an einer Regierung der nationalen Rettung teilzunehmen. Venizelos rief dazu auf, die Konsequenzen des Sparprogramms zu tragen. „Eine Regierung der nationalen Einheit ist nötig“, sagte der ehemalige griechische Finanzminister.
Die Sondierungen könnten mehrere Tage dauern. Den Griechen läuft allerdings die Zeit davon. Ende Mai erwarten die internationalen Geldgeber eine handlungsfähige Regierung. Anderenfalls könnten sie den Geldhahn zudrehen. Die Folge könnte eine Staatspleite sein. Seit dem Ausbruch der Finanzkrise vor zwei Jahren haben Millionen Griechen erhebliche Einnahmeeinbußen hinnehmen müssen.
Neben den Kommunisten werden erstmals Faschisten im Parlament vertreten sein. Die Faschisten hatten in den vergangenen Jahren den Zustrom von Einwanderern zum Thema gemacht.
Die Nea Dimokratia kommt nach Auszählung von 99,2 Prozent der Stimmen als stärkste Partei auf 18,9 Prozent. Das Bündnis der Radikalen Linken (Syriza) lag überraschend auf Platz zwei bei 16,8 Prozent. Es will keine Schulden mehr begleichen und das Sparpaket mit den ausländischen Geldgebern grundsätzlich neu verhandeln.
Dramatische Verluste verzeichnete der Wahlsieger von 2009, die sozialistische Pasok, als drittstärkste Kraft mit 13,2 Prozent. Damit machten die ND und Pasok erstmals nicht das Rennen um den Wahlsieg und die stärkste Oppositionspartei unter sich aus. Auf die Pasok folgen die konservativen Unabhängigen Griechen (10,6 Prozent), die als möglicher Koalitionspartner gehandelt werden. Hinter den Kommunisten (KKE/8,5 Prozent) schafft erstmals die faschistische Goldene Morgenröte (knapp 7 Prozent) den Sprung ins Parlament. Die Demokratische Linke (DA) kommt auf 6 Prozent.