Wie sichern Staaten ihren Luftraum in Grenzgebieten?
Hannover (dpa) - Die Türkei begründet den Abschuss eines russischen Kampfjets im Grenzgebiet zu Syrien mit einer Verletzung ihres Luftraums. Einige Fragen und Antworten dazu:
Wie werden Grenzen in Krisengebieten geschützt?
In etlichen Weltregionen haben Staaten Luftraumüberwachungszonen entlang ihrer Grenzen eingerichtet, zum Beispiel China, Südkorea oder die USA. Solche Zonen haben die Funktion eines Frühwarnsystems, der Einflug ist nur unter ganz bestimmten Auflagen erlaubt. Eine sogenannte Air Defense Identification Zone (ADIZ) war bis zum Fall der Mauer in Deutschland jedem Piloten bekannt. Sie verlief entlang der deutsch-deutschen Grenze. Flugplätze wie Lübeck, die nur wenige Flugminuten vom Todesstreifen entfernt lagen, konnten erst nach bestimmten Flugplan-Regularien und in speziellen Korridoren angeflogen werden - sonst drohten Abfangjäger.
Gibt es eine solche ADIZ auch im türkisch-syrischen Grenzgebiet?
Offiziell ist noch unklar, welche Art von Überwachungszone es hier gibt. Nach unbestätigten Angaben aus Luftfahrtkreisen hat die Türkei einseitig eine Art ADIZ an der Grenze zu Syrien eingerichtet - angeblich, um potenzielle Eindringlinge schon vor Luftraumverletzungen, also noch über syrischem Territorium, zu erkennen und abzufangen. Da die abgeschossene Suchoi bei einer Geschwindigkeit von mehreren hundert Stundenkilometern nur kurze Zeit über türkischen Luftraum gewesen sein dürfte, klingt diese Erklärung plausibel: Denn das türkische Militär will die russischen Piloten vor dem Abschuss über einen Zeitraum fünf Minuten zehn Mal gewarnt haben.
Wie erkennt man, was da für Flugzeuge in der Luft sind?
Flugzeuge - zivil wie militärisch - haben in der Regel sogenannte Transponder an Bord. Das sind automatische Signalgeber, die beim Abtasten durch Radarstrahlen Angaben zum Flugzeug, seinen Kurs, der Geschwindigkeit und seinem Kennzeichen machen. Bei Militärflugzeugen gibt es zusätzlich sogenannte IFF-Signalgeber. Zur Identifizierung von Freund oder Feind senden sie bestimmte Signale, die verschlüsselt oder unverschlüsselt Hinweise auf die Art der Mission des jeweiligen Kampfflugzeugs geben.
Wie werden Eindringlinge abgefangen?
Luftraumverletzer, die sich nicht melden, werden nach international festgelegten Verfahren zunächst per Funk angesprochen. Reagieren sie nicht, wird ein sogenannter Quick Reaction Alert (QRA) ausgelöst. Innerhalb kürzester Zeit steigen dabei Abfangjäger auf, um zu dem Eindringling Sichtkontakt herzustellen. Das geschah auch so beim Germanwings-Flug über den französischen Alpen, als der Airbus auf seinem Crashkurs einer Sperrzone über einer Atomforschungsanlage gefährlich nahe kam. Reagiert der Eindringling auf optische Signale nicht, droht die Eskalation - die bis zum Abschuss reichen kann.
Hat die Türkei dabei spezielle Verfahren?
Die Türkei hat nach Informationen aus Luftfahrtkreisen ihre Eingreifprozesse („Rules of Engagement“) nach mehreren Zwischenfällen verschärft. Wichtigster Anlass war der Abschuss eines unbewaffneten türkischen Aufklärungsjets vor der syrischen Küste ohne jegliche Vorwarnung. Zuletzt gab es wiederholt Luftraumverletzungen durch in Syrien operierende russische Militärjets, die Moskau mit Navigationsproblemen entschuldigte. Die Türkei warnt heute daher auf ihr Territorium zufliegende Flugzeuge schon vor dem Eindringen in ihren Luftraum über die Notfallfrequenz. Bleiben sie unbeantwortet und sind keine Kursänderungen erkennbar, wird Abfang-Alarm gegeben.
Wie navigieren Flugzeuge?
Moderne Flugzeuge - zivil wie militärisch - haben heute sogenannte Glascockpits, in die präzise Navigationsgeräte eingebaut sind. Sie arbeiten mit Satellitenunterstützung und zeigen fortlaufend die Position über dem Boden („Moving Maps“). Zudem gibt es weitere Navigationseinrichtungen, die diese Angaben ergänzen. Am Boden gibt es Radargeräte, die eine klare Zuordnung des Flugzeugs im Luftraum erlauben. Allerdings: Wie die Praxis zeigt, ist das unbeabsichtigte, kurzzeitige Eindringen in gesperrte Lufträume weder bei kleinen Cessnas noch bei schnellen Militärjets jemals ganz auszuschließen.