Wut über Abgabe: „Sie bestrafen uns einfache Zyprer“
Nikosia (dpa) - „Katastrophe“: So lautete an diesem Samstag das auf Zypern am häufigsten zu hörende Wort.
Als in den frühen Morgenstunden bekannt wurde, dass ausnahmslos alle Bankeinlagen mit einer Sonderabgabe von 6,75 bis 9,9 Prozent belastet werden sollen, versuchten Hunderte Bürger Geld am Automaten oder in einer der Genossenschaftsbanken abzuheben, die auch am Samstag geöffnet sind.
Sie bekamen zu hören, dass das Onlinesystem nicht in Betrieb sei. Kurz darauf wurden die Filialen geschlossen. Die Geldautomaten gaben bis um 11 Uhr auch kein Geld aus. Wer danach seinen Kontostand abfragte, musste feststellen, dass die der Abgabe entsprechende Summe bereits fehlte: Sie wurde eingefroren, auch wenn der betreffende Parlamentsbeschluss erst in den nächsten Tagen erwartet wurde. Auch Überweisungen und Online-Banking waren am Samstag nicht möglich.
Entsprechend ist die Wut der Bürger. Die meisten fühlen sich getäuscht, nachdem die zyprische Regierung in allen Tönen versichert hatte, dass die Bankguthaben nicht angetastet würden. „Wir arbeiten, legen etwas zurück, und jetzt nehmen sie unser Geld. Das ist ungerecht, sehr ungerecht“, so eine Frau im staatlichen zyprischen Fernsehen RIK. Der Ingenieur Andreas Stylianou aus Nikosia sagte der Nachrichtenagentur dpa in Anspielung auf die Versicherung von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem, man habe Zypern nicht bestraft: „Aber sie bestrafen uns einfache Zyprer“. Zypern sei das Versuchskaninchen in einem nie dagewesenen Experiment, sagte der Zahnarzt Marinos Theodorou der dpa.
Die Euro-Finanzminister hatten nach langen Verhandlungen beschlossen, dass zur Rettung Zyperns vor der Pleite in einem beispiellosen Schritt auch Bankkunden kräftig zur Kasse gebeten werden. Bei Einlagen unter 100 000 Euro wird eine Abgabe von 6,75 Prozent fällig, bei höheren Beträgen sind es 9,9 Prozent. So sollen geschätzt 5,8 Milliarden Euro zusammenkommen, wie Eurogruppen-Chef Dijsselbloem sagte. Insgesamt soll das Hilfspaket ein Volumen von bis zu zehn Milliarden Euro haben.
Die Kritik auf Zypern am Rettungspaket aber ist groß. Die europäische Solidarität sei dahin, Zypern sei erniedrigt worden, sagte Parlamentspräsident Giannakis Omirou in einer ersten Stellungnahme im Staatsfernsehen. Er brach einen Arbeitsbesuch in London vorzeitig ab. Als katastrophal bezeichnete das Abkommen auch der Vorsitzende des Justizausschusses im zyprischen Parlament, Nikolas Papadopoulos. Er warnte im Fernsehen vor einem Zusammenbruch des Bankensystems, wenn das Vertrauen der Kunden verloren gehe. Die kommunistische Oppositionspartei AKEL will gar die Frage nach einem Austritt aus der Währungsunion oder einen Volksentscheid auf die Tagesordnung setzen. Europa habe sich neokolonialistisch verhalten, so Parteisprecher Andros Kyprianou in einer Pressekonferenz am Mittag.
Sorgen bereitet die Zwangsabgabe aber auch den Griechen im Mutterland: Viele hatten nach dem Ausbruch der griechischen Schuldenkrise ihr Geld nach Zypern überwiesen. „Ein Großteil der 450 000 Euro auf meinem Konto stammt von meinem in Griechenland lebenden Bruder, der es in Sicherheit bringen wollte“, sagte ein Zypriot am Morgen im staatlichen Rundfunk der Insel. Kontoinhaber mit Guthaben auf den Filialen zyprischer Banken in Griechenland konnte die Regierung in Athen bereits beruhigen: Sie seien von der Maßnahme nicht betroffen, hieß es in einer Stellungnahme von Finanzminister Ioannis Stournaras.