Zweite Etappe im VW-Skandal: Das droht Kunden und Konzern

Wolfsburg (dpa) - VW hat mit dem nächsten Skandal zu kämpfen: Falsche CO2-Werte und damit falsche Angaben beim Spritverbrauch verunsichern Kunden des Volkswagen-Konzerns. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

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Wie hat VW die Spritverbrauchswerte frisiert?

Ob die Autos technisch manipuliert sind oder ob am Schreibtisch bei Testwerten auf dem Papier gelogen wurde, ist offen. Fest steht: Der CO2-Ausstoß und damit der Spritverbrauch wurde zu niedrig angegeben. Sowohl auf der Straße als auch auf dem Prüfstand liegen die Werte dem Konzern zufolge höher als ausgewiesen - wie hoch, ist aber unklar. Betroffen sind nach jüngstem Stand 800 000 Autos von fast allen VW-Marken, also auch Audi, Skoda und Seat. Laut „FAZ“ geht es vor allem um „Blue Motion“-Modelle, die VW ironischerweise als besonders spritsparend bewirbt.

Warum sind den Prüfbehörden die falschen Werte nicht aufgefallen?

Diese Frage konnte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA), das in Deutschland für die Abnahme neuer Automodelle zuständig ist, zunächst einmal nicht beantworten. „Das ist jetzt zu klären. Da befinden sich die Kollegen in einer Phase des Erkenntnisgewinns“, sagte ein Sprecher. Die Messungen des CO2-Ausstoßes würden von sogenannten technischen Diensten durchgeführt. Dazu gehören unter anderem TÜV und Dekra. Von welchem Dienstleister die Gutachten zu den betroffenen Modellen erstellt wurden, konnte der Sprecher nicht sagen.

Müssen VW-Fahrer jetzt Kfz-Steuer zurückzahlen?

Das könnte passieren. Wer dann aber zahlen müsste, ist noch nicht geklärt. Laut Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) dürfen die VW-Manipulationen jedenfalls keine Steuer-Nachzahlungen für die Kunden nach sich ziehen: „Ich gehe davon aus, dass man eine Lösung findet, die den VW-Kunden nicht belastet.“ Er sehe VW in der Pflicht, „dafür zu sorgen, dass bei diesen Fragen weder Mehrkosten noch Arbeitsaufwand auf die Kunden zukommen.“ Bei Autos, die ab dem 1. Juli 2009 zum ersten Mal zugelassen wurden, hängt die Höhe der Kfz-Steuer auch vom CO2-Ausstoß ab.

Haben VW-Kunden Anspruch auf Schadenersatz?

Das ist möglich. „Wenn VW mit niedrigen Abgas- und Verbrauchswerten geworben hat und Kunden sich deshalb für ein bestimmtes Auto entschieden haben, dann könnte Betrug als Tatbestand vorliegen“, erklärt der Jurist Thomas Rüfner von der Universität Trier. Kunden könnten dann mit Schadenersatzklagen Erfolg haben, wenn das Auto wegen dieses Betrugs weniger wert sei. „Um Mehrkosten wegen eines höheren Spritverbrauchs geltend zu machen, könnten Kunden wegen einer sogenannten vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung klagen“, erläutert Rüfner. Das sei umgangssprachlich ein Tatbestand für „die größten Schweinereien“.

Beide Tatbestände seien aber schwierig nachzuweisen. Rüfner nennt zwei Möglichkeiten: „Entweder kann der Unternehmensleitung nachgewiesen werden, dass sie dieses Fehlverhalten wissentlich zu verantworten hat - oder die Unternehmensleitung kann nicht beweisen, dass sie die notwendige Sorgfalt und Kontrolle hat walten lassen, um die Verstöße zu verhindern.“ Auch beim CO2-Thema drohen also lange Auseinandersetzungen vor Gericht.

Gegen welche Regeln hat VW noch verstoßen?

Für jeden Autobauer, der Pkw auf den europäischen Markt bringt, gelten EU-Vorgaben für den CO2-Ausstoß. Diese Werte muss er aber nur im Durchschnitt der Fahrzeuge seiner Flotte einhalten - bestimmte Modelle können also deutlich mehr Kohlendioxid abgeben. Für die VW-Gruppe lag der Zielwert 2014 nach Angaben von EU-Experten bei 131,17 Gramm pro Kilometer. Dabei durfte der Autobauer aber ein Fünftel seiner Flotte noch ausklammern - die Vorgaben werden schrittweise eingeführt, erst ab dem laufenden Jahr müssen sie im Durchschnitt aller neuen Pkw eingehalten werden.

Welche Kosten drohen dem Konzern?

Das hängt maßgeblich davon ab, welche der rund 800 000 betroffenen Autos wo zugelassen wurden. Die zwei Milliarden Euro, die VW in einer ersten Schätzung veranschlagt, dürften aber kaum reichen. Schon vor den Manipulationen bei Abgastests bei Stickoxid-Werten hatte VW rund 6,5 Milliarden Euro zurückgelegt. Experten schätzen die Gesamtkosten aber deutlich höher ein.

In Deutschland und einigen anderen Ländern müsste Kfz-Steuer vermutlich nachgezahlt werden. Hinzu kämen Schadenersatzklagen von VW-Fahrern wegen Wertverlusts und zu hohen Spritverbrauchs. Auch aus Brüssel drohen Strafen.

Stimmen die Verbrauchsangaben bei anderen Herstellern?

Umweltverbände schimpfen seit Jahren, dass Autos viel mehr Sprit verbrauchen als von den Herstellern angegeben. Für die Tests würden etwa Seitenspiegel eingeklappt oder Fahrzeugschlitze zugeklebt, um den Luftwiderstand zu verringern. Die Batterien seien voll, die Klimaanlage aus. Verschiedene Untersuchungen sprechen von CO2-Werten, die im Schnitt etwa 40 Prozent höher liegen als vom Hersteller angegeben - das gilt für Diesel wie für Benziner. Die Autoindustrie betont, dass die Tests von externen Prüfern wie TÜV oder Dekra durchgeführt werden, die Ergebnisse dienten vor allem der Vergleichbarkeit verschiedener Modelle und Motoren.