Absatzkrise in Europa lässt Daimler-Prognose wackeln
Berlin (dpa) - Die Absatzkrise in Europa könnte dem Autobauer Daimler die zweite Gewinnwarnung binnen weniger Monate einhandeln. „In den kommenden Monaten erwarten wir wenig Rückenwind“, sagte Konzernchef Dieter Zetsche am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Berlin.
Seit Jahresbeginn sei die Nachfrage in den europäischen Märkten stärker zurückgegangen als erwartet. „Deshalb werden wir überprüfen, ob unsere bisherigen marktbezogenen Annahmen für 2013 noch Gültigkeit haben.“
Daimler will sich bei der Berichterstattung für das erste Quartal in zwei Wochen zu den konkreten Erwartungen für das laufende Jahr äußern. Zetsche hatte im Herbst bereits das Gewinnziel für 2012 kappen müssen. Für den Gesamtkonzern standen 8,1 Milliarden Euro operativer Gewinn aus dem laufenden Geschäft in den Büchern - nach 9 Milliarden Euro im Vorjahr.
Zetsche hatte Anfang Februar angekündigt, man werde 2013 beim operativen Ergebnis nicht vom Fleck kommen. In der Autosparte erwartet er sogar einen Rückgang unter das Vorjahresniveau von 4,4 Milliarden Euro. Dabei setzten die Stuttgarter in den ersten drei Monaten dieses Jahres mit gut 350 000 Autos sogar rund 3 Prozent mehr Pkw ab als ein Jahr zuvor.
Dabei hielten aber vor allem die A- und B-Klasse sowie die Geländelimousinen das Unternehmen auf Kurs. Im Vergleich zu den größeren Modellen der E- und S-Klasse lässt sich mit den Kompaktwagen weniger Geld verdienen. Große Hoffnung setzt Daimler auf sein Flaggschiff S-Klasse, dessen neue Generation im Mai Premiere feiert. Eine überarbeitete Version der E-Klasse rollt bereits von den Bändern.
Der Automarkt in Westeuropa liegt seit Monaten am Boden, angesichts der Schuldenkrise sind die Verkäufe vor allem in südeuropäischen Ländern eingebrochen. Zuletzt musste sogar Branchenprimus Volkswagen wegen der kriselnden Märkte für seine Kernmarke VW ein Absatzminus für den Monat März vermelden.
Die Daimler-Aktie legte am Mittwoch dennoch deutlich zu. Händler hatten offenbar schon mit einer möglichen Gewinnwarnung gerechnet und konzentrierten sich auf den mittelfristigen Ausblick und den Start neuer Modelle.
Verbesserungen erhofft sich Zetsche von einem Sparprogramm, mit dem der Konzern bis Ende 2014 die Kosten insgesamt um rund vier Milliarden Euro drücken will. Das gewaltige Paket hatte für Unruhe rund um den Konzern und bis in den Aufsichtsrat gesorgt. Dieser hatte Zetsches Vertrag im Februar nur um drei statt wie erwartet um fünf Jahre verlängert.
Nach dpa-Informationen wollte die Arbeitnehmerseite den Daimler-Chef sogar komplett auflaufen lassen und seinen Vertrag gar nicht verlängern. Grund: Kritik an Zetsches Führungsstil - und sein Umgang mit dem Sparprogramm. Bei den Aktionären warf dies zahlreiche Fragen zur künftigen Ausrichtung des Konzerns auf.
Konzernchef Zetsche verteidigte indes das Sparpaket. „Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird Daimler verändern - und das führt fast zwangsläufig zu Meinungsverschiedenheiten“, sagte er. „Umso wichtiger ist es, dass die vom Vorstand entwickelte Strategie auch vom Aufsichtsrat volle Rückendeckung hat.“ Diese hatte ihm der Vorsitzende des Gremiums, Manfred Bischoff, zuvor zugesichert.
„Was unsere Geschäftsentwicklung betrifft, rechnen wir dank der Verfügbarkeit wichtiger neuer Produkte und laufender Effizienzprogramme für das zweite Halbjahr mit Ergebnissen, die über dem Niveau der ersten Jahreshälfte liegen“, kündigte Zetsche an.
So rechnet Zetsche beim Pkw-Absatz trotz „eines schwierigen ersten Quartals“ für das Gesamtjahr mit einem neuerlichen Wachstum. 2012 hatte Daimler einen Rekordwert eingefahren. An den mittelfristigen Zielen halten die Stuttgarter fest: Von 2015 an sollten pro Jahr mindesten 1,6 Millionen Pkw der Kernmarke Mercedes-Benz verkauft werden, sagte Zetsche.
Der Autobauer will bis 2020 an seinen Konkurrenten BMW und Audi vorbeiziehen und wieder Nummer eins im Oberklasse-Segment werden. Auf der Hauptversammlung wurde dieses Ziel von den Aktionären jedoch immer wieder kritisch hinterfragt. Vor allem in China haben die Schwaben derzeit Probleme, aufzuschließen. Auf dem wichtigen Wachstumsmarkt verkaufen die Erzrivalen aus Bayern nicht nur mehr Autos, sie verdienen auch besser daran.
„Die strategischen Ansätze von BMW und Audi wirken deutlich kohärenter“, sagte Marco Scherer von Deutschlands größter Fondsgesellschaft DWS. In dieses Horn stieß auch Ingo Speich von Union Investment: „Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine riesige Lücke“, kritisierte er. „Daimler darf nicht länger zuschauen, wie die Konkurrenz aus München und Ingolstadt davonfährt, es muss jetzt endlich ein Ruck durch Daimler gehen.“
Finanziell kommen die Aktionäre deswegen aber nicht zu kurz: Die Dividende bleibt mit 2,20 Euro je Aktie stabil. Das entspricht einem Volumen von insgesamt rund 2,3 Milliarden Euro.