Amazon: Verlust zu Weihnachten befürchtet
Seattle (dpa) - Der weltgrößte Onlinehändler Amazon nimmt in seinem Wachstumsdrang hohe Kosten in Kauf und schockt mit einer Gewinnwarnung die Anleger. Ausgerechnet im wichtigen Weihnachtsquartal könnte schlimmstenfalls ein Verlust von operativ bis zu 200 Millionen Dollar entstehen.
Das erklärte der US-Konzern am Dienstag in Seattle und schickte damit seine Aktie auf Talfahrt. Im abgeschlossenen dritten Quartal brach der Gewinn auf unterm Strich 63 Millionen Dollar ein. Im Vorjahreszeitraum hatte Amazon noch fast viermal soviel verdient. Amazon pumpt massiv Geld in den Ausbau seines Geschäfts: in neue Versandzentren, mehr Werbung und in die Entwicklung neuer Produkte wie einen Tablet-Computer.
Die Aktionäre waren vor den Kopf gestoßen. Analysten wussten zwar um Amazons kostspieligen Wachstumsdrang. Doch sie hatten nicht mit einem derartigen Einbruch gerechnet. Nachbörslich stürzte die Aktie um 12 Prozent und mehr ab. Bereits im regulären Handel war der Kurs um mehr als 4 Prozent zurückgegangen.
Ralf Kleber, Geschäftsführer von Amazon Deutschland, verteidigte die massive Expansionsstrategie. „Das ist nicht das erste Mal, dass Amazon was anderes macht, als die Analysten erwarten“, sagte Kleber der Nachrichtenagentur dpa. „Ich halte das für ein ganz typisches Amazon-Quartal.“ Der Online-Einzelhändler bereite sich traditionell im dritten Quartal auf das wichtige Weihnachtsgeschäft vor. In Europa habe das Unternehmen in Italien und Spanien weitere Shops und in Deutschland zwei neue Lager eröffnet.
Auf der einen Seite will Amazon die Nummer-eins-Position im Onlinehandel mit allen Mitteln verteidigen, unter anderem mit günstigen Preisen. Auf der anderen Seite entwickelt sich Amazon immer mehr zum Anbieter von Inhalten wie Filmen und Musik. Dazu hat der Konzern jüngst eine neue Version seines E-Book-Readers Kindle mit dem Namen Fire auf den Markt gebracht. Der Tablet-Computer Fire, der bislang nur in den USA angeboten wird, solle dem Kunden mit zusätzlichen Funktionen eine optimale Plattform bieten für alle Inhalte wie digitale Bücher, Musik und DVD-Content, sagte Kleber.
In den USA und Großbritannien verkauft der einstige Online-Buchhändler bereits mehr E-Books als physikalische Bücher - Tendenz steigend. Auch in Deutschland legt der Markt zu, inzwischen gibt es unter den insgesamt 850 000 verfügbaren E-Books 46 000 Titel in deutscher Sprache.
Vieles in der Amazon-Strategie sei derzeit auf den Kindle fokussiert, sagte Kleber. „Das ist ein wichtiger und wesentlicher Schritt in die digitale Zukunft.“ Die Lesegeräte sollen in Deutschland künftig auch über das Warenhaus Karstadt vertrieben werden. Je mehr E-Book-Reader oder Tablets verbreitet sind, um so mehr E-Books kann Amazon verkaufen. Das Kindle sei aber deshalb auch ein Geschäftsmodell, das erst über einen längeren Zeitraum Gewinn abwirft, sagte Kleber.
Auch beim neuen Kindle dürfte Amazon Geld drauflegen und erst später mit den Inhalten verdienen, ähnlich wie Druckerhersteller, die ihre Gewinne nicht mit der Hardware, sondern mit den Tinten-Patronen machen. Genaue Zahlen gibt Amazon nicht bekannt. Der Kindle Fire kostet mit 199 Dollar nicht mal die Hälfte eines Apple iPad, hat allerdings auch einen kleineren Bildschirm. Wegen der zahlreichen Vorbestellungen stocke Amazon seine Kapazitäten auf und baeun Millionen Geräte mehr als ursprünglich geplant, sagte Firmengründer und Chef Jeff Bezos. In den USA kommt er ab 15. November in den Handel. Das einfachste Kindle-Lesegerät mit Schwarz-Weiß-Bildschirm für elektronische Bücher gibt es in Deutschland für 99 Euro.
Die Vorstöße führen zu rasantem Wachstum. Im dritten Quartal stieg der Umsatz des Online-Einzelhändlers um 44 Prozent auf 10,9 Milliarden Dollar. Damit konnte Amazon zum wiederholten Male den Rivalen Ebay abhängen, der vor allem dank seines Bezahldienstes PayPal um 32 Prozent zulegte. Die Kehrseite des Wachstums ist jedoch die schwindende Gewinnmarge. Von jedem eingenommenen Dollar blieb zuletzt gerade noch ein halber Cent bei Amazon hängen.