Arcandor wird mit 75 000 Gläubigern zur Mammut-Insolvenz

Essen. Rund 75 000 angemeldete Gläubiger und 54Insolvenzverfahren - die Abwicklung der Arcandor-Pleite hat dasPotenzial als einer der bislang größten deutschen Insolvenzfälle in dieWirtschaftsgeschichte einzugehen.

Für den im November bei mehrerenVeranstaltungen erwarteten Gläubigeransturm wurde eigens die EssenerGrugahalle für mehrere Tage angemietet.

Zwischen den Konzerten von„Superstar“-Gewinner Mark Medlock und Alt-Star Udo Jürgens wird in derriesigen Halle über die Zukunft des notleidenden Handelsunternehmensabgestimmt.

Der Kölner Anwalt Klaus Hubert Görg wurde vom Essener Amtsgericht zumHerrn in 37 der insgesamt 54 Einzel-Verfahren bestellt. Darunter sindneben der Holding mit dem Kunstnamen Arcandor AG die wichtigstenKonzerngesellschaften wie der Warenhausriese Karstadt und derVersandhändler Quelle. Weitere Verfahren für „Töchter“ aus dem weitverzweigten Unternehmen beschäftigen Amtsgerichte und Kollegen von Görgim bayerischen Fürth ebenso wie in Düsseldorf oder Frankfurt.

Hintergrund des komplizierten Vorgangs ist das deutsche Insolvenzrecht,das keine übergreifende Abwicklung einer Konzerninsolvenz vorsieht.Neben einer Flut von Einzelverfahren für die jeweiligen Gesellschaftendroht eine „Zersplitterung des Insolvenzverfahrens“, warnt der EssenerWirtschaftsrechtler Prof. Sebastian Krause von der Fachhochschule fürÖkonomie und Management (FOM).

Die jeweiligen Insolvenzverwalter hättendann möglicherweise lediglich die Interessen der von ihnen vertretenenGesellschaften im Blick. Der schnelle Einzelverkauf von „Perlen“ unterden Konzerngesellschaften könne dabei im Einzelfall einen höherenErtrag bringen, als ein Verbleiben im Rahmen des Konzernverbunds, derdadurch gefährdet ist.

Im Fall Arcandor sieht der auf große Insolvenzverfahren spezialisierteAnwalt Bruno Kübler diese Gefahr durch die Bestellung von Görg alseinheitlichen Insolvenzverwalter für wichtige Verfahren gebannt. „Ichbin grundsätzlich für eine Konzentration in einer Hand“, sagt Kübler.

Mit Hilfe eines Gutachtens sei es gelungen, die Mehrzahl derwichtigsten Verfahren beim Essener Amtsgericht und in der Hand einesInsolvenzverwalters zu konzentrieren. Bei möglichenInteressen-Konflikten etwa zwischen Mutter-und Tochtergesellschaftenmit nur einem Insolvenzverwalter könne zudem in Einzelfällen einSonderverwalter bestellt werden.

„Wichtig ist das Signal, wer als Verwalter das Sagen hat und diePflöcke einschlagen kann“, sagt Kübler. Eine solche Vorgehensweise habesich mittlerweile im Vorgriff auf eine mögliche gesetzliche Regelungder Konzerninsolvenz bei vielen großen Verfahren in Deutschlandweitgehend durchgesetzt. Experten erwarteten in absehbarer Zeit einenentsprechen Vorstoß für eine gesetzliche Regelung durch dasBundesjustizministerium.

Bei der Abwicklung der Arcandor-Insolvenz rechnen Experten ohnehin eherin Jahrzehnten. Etwa zehn bis zwanzig Jahre könne ein solches Verfahrenwie die Arcandor-Insolvenz bis zum endgültigen Abschluss auch desletzten Einzelverfahrens dauern, schätzt Küble. Als Vergleichsfall giltim Ruhrgebiet die Insolvenz des Oberhausener AnlagenbauersBabcock-Borsig.

Nach der Eröffnung des Verfahrens im Jahr 2002 wirdderzeit mit einer Verfahrensdauer bis zum Jahr 2015 gerechnet. DieAkten in dem komplizierten Fall sind bereits auf eine Länge vonschätzungsweise 34 Kilometer angewachsen.