Athen will mit Wachstum Umschuldung abwenden
Athen/Frankfurt (dpa) - Die griechische Regierung will eine Umschuldung mit Hilfe eines kräftigen Wirtschaftswachstums noch verhindern.
Finanzminister Giorgos Papakonstantinou erklärte am Mittwoch in Athen: „Die umfangreichen Reformen werden zu Wachstum führen, und damit werden wir sie (die Umschuldung) abwenden.“ Die Spekulationen über einen scharfen Schnitt bei den griechischen Schulden nehmen dennoch zu. Nach Überzeugung der Ratingagentur Standard & Poor's (S&P) müssten die Gläubiger Griechenlands bei einer Umschuldung auf große Teile ihrer Forderungen verzichten.
Mit der Ankündigung eines forcierten Wachstums reagierte die griechische Regierung auf sich häufende Berichte, wonach ein Schuldenschnitt für Griechenland unvermeidlich wird. Wie genau Athen auf Wachstumskurs kommen will, ist unklar: Als sicher gilt, dass der Staat mehrere Unternehmen privatisieren wird. Auch Häfen und Flughäfen sollen in private Hände kommen.
In den nächsten Tagen will die Regierung ein umfangreiches, mittelfristiges Spar- und Reformprogramm präsentieren, mit dem die Wirtschaft des Landes stufenweise angekurbelt werden soll. Im vergangenen Jahr war die Rezession tief: Die Wirtschaftsleistung sackte um etwa vier Prozent ab.
Spekulationen über einen Schuldenschnitt hielten an. Griechische Finanzexperten, aber auch Abgeordnete der regierenden Pasok-Partei sprachen davon: „Je früher desto besser“ wurde der Pasok-Parlamentsabgeordnete Paris Koukoulopoulos in der regierungsnahen Zeitung „Ta Nea“ zitiert.
Nach Informationen der „Zeit“ (Donnerstag) wird in EU-Kreisen auf Arbeitsebene davon ausgegangen, dass 40 bis 50 Prozent der griechischen Verbindlichkeiten gestrichen werden müssen, damit das Land wieder auf die Füße kommt. Hinter den EU-Kulissen würden derzeit verschiedene Optionen diskutiert. Offiziell lehnt die EU eine Umschuldung ab.
Der Leiter des Standard & Poor's-Teams für die Bewertung europäischer Staaten, Moritz Kraemer, sagte der Zeitung, sollte eine Umschuldung kommen, rechne er mit einem Schnitt der griechischen Verbindlichkeiten „um 50 bis 70 Prozent des aktuellen Werts“. Es sei aber denkbar, dass Europa im Ernstfall zunächst nur eine Streckung von Laufzeiten oder eine Reduzierung von Zinszahlungen erwäge.
Kraemer hält weitergehende Schritte für sinnvoll: „Wir aber halten es für wenig sinnvoll - und daher auch für wenig wahrscheinlich - die enormen Folgen eines solchen Schrittes für den Marktzugang und die Finanzierungskosten eines Landes in Kauf zu nehmen, wenn man die Schuldenlast zugleich nur von aktuell 160 Prozent auf 130 Prozent senkt.“ Der Schritt lohne sich nur, wenn die Schulden nachhaltig reduziert würden. Kraemer bezifferte die Wahrscheinlichkeit einer Umschuldung Griechenlands auf „fast ein Drittel“.
Bundesbank-Vorstand Joachim Nagel zeigte sich in der „Welt“ (Mittwoch) dagegen zuversichtlich, dass keine Umschuldung eines Krisenlandes nötig werde: „Es wird so getan, als sei eine Umschuldung Griechenlands alternativlos. Das ist aber nicht so“, betonte er. Auch in der Vergangenheit hätten Länder hohe Schuldenquoten ausgewiesen, ohne Insolvenz anzumelden. Zuletzt hatte EU-Währungskommissar Olli Rehn eine Umschuldung ausgeschlossen. Eines der Probleme: Ein solcher Schritt könnte die Märkte verunsichern und damit auch die Finanzierung anderer Länder erschweren.
Irland, das als zweiter Staat Hilfen der Eurozone beantragt hatte, hat nach Kraemers Einschätzung hingegen bereits den Wendepunkt erreicht. „Eine Umschuldung halten wir für außerordentlich unwahrscheinlich.“ Auch Portugals Lage sei „längst nicht so dramatisch wie die Griechenlands“.