Barroso fordert mit höherer Dieselsteuer Merkel heraus
Brüssel/Berlin (dpa) - Mit dem Vorschlag für eine höhere Besteuerung von Dieselkraftstoff fordert EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso die Bundesregierung heraus.
„Wir brauchen eine Reform der Energiesteuern in Europa“, sagte Barroso am Mittwoch in Brüssel. Die EU pocht auch deshalb auf die „grünen Steuern“, um die Klima- und Energieziele bis 2020 zu erreichen. Die Bundesregierung bekräftigte ihren Widerstand: „Wir wenden uns ausdrücklich gegen Maßnahmen, die zu einer Verteuerung von Diesel-Kraftstoff in Deutschland führen würden“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Christoph Steegmans. Damit ist die Reform gefährdet.
Brüssel will künftig bei den Steuern sowohl den Energiegehalt eines Kraft- und Heizstoffes als auch den Ausstoß des Treibhausgases CO2 berücksichtigen. Deswegen sieht die Behörde vor allem bei Diesel Handlungsbedarf. Bisher ist bei den Steuern allein der Verbrauch maßgeblich.
Während der EU-Mindeststeuersatz für Benzin nach den Plänen unverändert bei 35,9 Eurocent bleibt, soll der Mindestsatz für Diesel von derzeit 33 Cent bis 2018 auf 41,2 Cent steigen. Da Deutschland jetzt schon einen Steuersatz auf Diesel von 47 Cent je Liter hat, müsse der Preis nicht steigen, meinten EU-Experten. Andere EU-Länder wie Luxemburg oder Litauen müssten aber aufgrund der EU-Vorgaben ihre Dieselsteuern nach oben schrauben.
Die Übergangsfrist in der Reform soll 2023 enden. Nach Angaben von Kommissionsexperten wäre dann ein Diesel-Mindeststeuersatz von 74,9 Cent erreicht. Erst zu diesem Termin - und nicht früher - könnte es nötig werden, in Deutschland die Preise anzuheben.
Der Vorschlag der Kommission muss nun im EU-Parlament und im EU-Finanzministerrat beraten werden. Das überarbeitete Gesetz soll 2013 in Kraft treten. Falls ein Mitgliedsland wie etwa Deutschland Einwände hat, kann es die Reform im Ministerrat blockieren.
Deutsche Politiker hatten bereits vor der Präsentation der Pläne auf breiter Front mobil gemacht. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte nach früheren Angaben im CDU-Präsidium deutlich, dass Deutschland auf EU-Ebene Widerstand leisten werde. Erst am Dienstag hatte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) das deutsche Nein bekräftigt. Auch Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ließ am Mittwoch in Berlin erklären, er halte nichts von derartigen Plänen. Dagegen halten die Grünen den Vorschlag für klima- und umweltpolitisch sinnvoll.
Laut Brüsseler Diplomaten gibt es zudem erhebliche Bedenken aus Großbritannien. London und Dublin stehen seit langem Steuerplänen der EU sehr skeptisch gegenüber. In der Gesetzgebung kann die EU nur Mindeststeuersätze vorgeben, die von den Mitgliedstaaten überschritten werden können. Für die endgültigen Steuern selbst sind die Mitgliedstaaten allein verantwortlich.
Kommissionspräsident Barroso sagte: „Was wir vorschlagen, ist außerordentlich vernünftig.“ Derzeit würde die Arbeit von Menschen besteuert, die Energie aber nicht in vergleichbarer Weise. „Das ist absurd.“ Der Plan sei im Interesse der Umwelt und der europäischen Industrie. Der Portugiese erinnerte daran, dass vor Jahren der Vorstoß der Kommission für eine Begrenzung des CO2-Ausstoßes bei Autos am Anfang scharf kritisiert worden sei, auch in Deutschland.
„Die deutsche Autoindustrie ist (daraus) als Sieger hervorgegangen“, bilanzierte Barroso. Es gebe bei den Spritsteuern die lange Übergangsfrist von zwölf Jahren, damit sich die Autoindustrie auf die Neuerungen einstellen könne. Da Diesel einen höheren Energiegehalt hat als Benzin, müsste er nach den EU-Plänen auch höher besteuert werden. Experten sprechen letztlich von einem Unterschied von etwa 15-17 Prozent.
Nach Ansicht der deutschen Autoindustrie werden sich die Dieselfahrer und auch die Verbraucher dann auf deutlich steigende Kosten einstellen müssen. „Höhere Transportkosten bedeuten höhere Verbraucherpreise. Das trifft jeden Konsumenten“, stellte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann, in Berlin fest. „Im Klartext: Jeder Liter Milch, jeder Schokoriegel würde teurer“, warnte er. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer unterstützt die Reform. Es sei nicht mehr angemessen, „dass wir künstlich den Diesel auf Kosten des Steuerzahlers subventionieren“, sagte der Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen der Nachrichtenagentur dpa.
EU-Steuerkommissar Algirdas Semeta sagte, er habe zur Vorbereitung der Reform mehrfach mit Finanzminister Wolfgang Schäuble gesprochen, auch die Automobilindustrie sei eingebunden gewesen. Die Branche habe vor allem auf ausreichende Übergangsperioden gepocht.