BA: Fachkräfte-Zuzug wirkt als „Wachstumsspritze“
Nürnberg/Halle (dpa) - Die Bundesagentur für Arbeit verspricht sich von der EU-Freizügigkeit für osteuropäische Arbeitskräfte eine „Wachstumsspritze“ für die deutsche Wirtschaft.
Junge, mobile und qualifizierte Kräfte aus Polen, Tschechien, Ungarn und anderen osteuropäischen Ländern seien für eine so prosperierende Wirtschaft wie die deutsche ein echter Gewinn, sagte das Bundesagentur-Vorstandsmitglied Heinrich Alt der Nachrichtenagentur dpa. Ängste vor einer unkontrollierten Zuwanderungswelle aus Osteuropa ab dem 1. Mai sind für ihn unbegründet.
Der Vorstand der Bundesagentur rechnet mit zunächst 100 000 bis 150 000 Arbeitskräften aus Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien, der Slowakei sowie Estland, Lettland und Litauen, die ab dem Wegfall der Beschränkungen am 1. Mai nach Deutschland kommen könnten. „Gerade in einem Land mit einer sinkenden Zahl von Menschen im arbeitsfähigen Alter können wir diese Arbeitskräfte gut gebrauchen“, sagte Alt. In den darauffolgenden Jahren dürfte die Zahl langsam wieder sinken.
Wie unbegründet die Sorge sei, dass billige osteuropäische Arbeitskräfte einheimischen Kräften die Arbeitsplätze wegnähmen, habe sich in Ländern wie Frankreich, Großbritannien, Irland und Schweden gezeigt: Dort können sich Osteuropäer schon seit Jahren ohne Arbeitserlaubnis einen Job suchen. „Das blieb dort alles in einem verkraftbaren und undramatischen Rahmen. Und ich glaube, dass beispielsweise der Großraum London vom Zugang polnischer Arbeitnehmer profitiert hat“, sagte Alt. Schon jetzt gebe es einen Wettbewerb westeuropäischer Länder um Fachkräfte aus Osteuropa.
Alt räumte dennoch auch Risiken für den deutschen Arbeitsmarkt als Folge der EU-Freizügigkeit ein; diese hielten sich aber in Grenzen. So könnten zuwandernde Osteuropäer ungelernten Arbeitskräften und Langzeitarbeitslosen Konkurrenz machen. Auf diese „verschärfte Wettbewerbssituation“ müssten Jobcenter und Arbeitsagenturen reagieren, indem sie Langzeitarbeitslose besser auf die Arbeitswelt vorbereiteten. Auch deutsche Zeitarbeitsunternehmen könnten nach dem 1. Mai mit polnischen oder tschechischen Konkurrenzunternehmen konfrontiert sein, die Leiharbeiter zu Niedriglöhnen deutschen Firmen anbieten könnten.
Eine Alternative zum Wegfall der Beschränkungen für osteuropäische Beschäftigte gibt es nach Ansicht Alts nicht. „Wenn man einen einheitlichen Wirtschaftsraum haben will, dann gehört da auch die Arbeitnehmerfreizügigkeit dazu“, stellte das für Hartz IV zuständige BA-Vorstandsmitglied klar.
Das Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) erwartet derweil, dass es polnische Arbeitskräfte nach Öffnung der Grenzen vor allem in westdeutsche Wirtschaftszentren zieht. Die wichtigsten Ziele dürften der Kölner Raum, das Ruhrgebiet, Rhein/Main sowie Stuttgart, München und Berlin sein. Das IWH erwartet, dass es aus Mittel- und Osteuropa jährlich etwa 250 000 Menschen nach Westeuropa zieht.
Ab dem 1. Mai können Polen, Tschechen und andere Osteuropäer ohne Beschränkungen in Deutschland arbeiten. Der tschechische Ministerpräsident Petr Necas beschwichtigte Ängste vor einer Billiglohn-Zuwanderung aus Osteuropa. „Die Deutschen müssen keinen Zufluss billiger tschechischer Arbeitskräfte befürchten“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.