RWE-Chef bleibt auf Atomkurs

Essen (dpa) - RWE unter Druck: Nach der Katastrophe in Japan ist der Atomkurs des Konzerns massiv in die Kritik geraten. Konzernchef Großmann geht zum Angriff über und verteidigt seine Strategie mit Nachdruck.

Proteste lassen ihn kalt.

Bei der Hauptversammlung in der Essener Grugahalle prallten am Mittwoch die Fronten von Atomkraftgegnern und Befürwortern aufeinander. Einzelne atomkritische Aktionäre forderten den Rücktritt des Konzernchefs. Doch der will seinen Vertrag bis Herbst kommenden Jahres erfüllen.

Zuvor hatten Demonstranten versucht, rund 5000 Aktionäre mit Sitzblockaden und gespannten Wollfäden am Betreten der Versammlungshalle zu hindern. Bei seiner Rede wurde Großmann mehrfach von Sprechchören und Rufen wie „Abschalten“ unterbrochen. Beirren ließ sich der 59-jährige Top-Manager davon nicht. Großmann zeigte sich in dem Konflikt gesprächsbereit - mögliche Zugeständnisse deutete er jedoch nicht an.

„Die deutschen Kernkraftwerke erfüllen die geltenden Sicherheitsanforderungen. In jedem anderen Fall hätten sie bereits zuvor abgeschaltet werden müssen. Daran ändern die Ereignisse in Japan nichts“, stellte Großmann fest.

Bereits vor dem Aktionärstreffen war der RWE-Chef nach Informationen von „Spiegel Online“ von kommunalen Aktionären des Energiekonzerns massiv kritisiert worden. Grund sei das Festhalten des Managers an der Atomkraft, während ein Teil der Anteilseigner aussteigen wolle, hieß es. Ein Unternehmenssprecher wollte den Bericht auf Anfrage nicht bestätigen. Die kommunale Beiratssitzung sei „sehr ruhig und sachlich“ verlaufen, hieß es lediglich.

Mit der Klage des Konzerns gegen das Moratorium der Bundesregierung habe das Unternehmen seine Verpflichtung gegenüber den Aktionären erfüllt, unterstrich Großmann. „Das sind wir Ihnen, unseren Aktionären schuldig.“ Die Klage sei jedoch keine Kampfansage an die Politik. RWE hatte als einziger deutscher Atomkonzern eine Klage gegen das Moratorium eingereicht.

Die Kritik Großmanns an der Bundesregierung fiel deutlich aus: „Statt den volkswirtschaftlichen Schaden zu begrenzen, konzentriert sich die Politik darauf, Schadenersatzforderungen der Versorger zu vermeiden“, sagte er. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass die Privatwirtschaft für die angestrebte Energiewende einen dreistelligen Milliardenbetrag einsetzen müsse. Das Geld dafür stamme zumindest zum Teil aus Kernenergie und fossiler Erzeugung.

Bei RWE stammten nach Unternehmensangaben 2010 knapp 15 Prozent des betrieblichen Ergebnisses von 7,7 Milliarden Euro aus der Kernkraft. Somit lag der Ergebnisbeitrag aus der Kernenergie bei etwa 1,16 Milliarden Euro. Durch die Abschaltung in Biblis stünden derzeit 44 Prozent der installierten Leistung aus Atomkraft still. Die zu erwartenden Ergebniseinbußen beziffert RWE auf einen dreistelligen Millionenbetrag.

Pro Meiler fielen etwa 30 Millionen Euro im Monat an Ergebnisbeitrag weg, die Atomsteuer und die Kosten für den Förderfonds noch nicht abgezogen. Mittelfristig hält es der Konzern aber sogar für möglich, dass RWE von einem schnelleren Atomausstieg profitieren könnte. Dafür könnte unter anderem der durch das knappere Angebot steigende Strompreis sorgen. An der mittelfristigen Prognose änderte RWE aber bisher nichts. Am Aktienmarkt stiegen RWE-Titel am Mittwoch nur unterdurchschnittlich um knapp zwei Prozent.

Einige Aktionäre forderten Großmann zum Rücktritt auf. Einem vorzeitigen Ausstieg vor Ende seines im September 2012 auslaufenden Vertrags erteilte er aber eine Absage: „Ich habe mich auf fünf Jahre verpflichtet und beabsichtige, das zu erfüllen.“

Das Unternehmen wies zudem einen Bericht der „Westfälischen Rundschau“ zurück, demzufolge der RWE-Vorstand beschlossen hat, sich mit 20 Prozent am Bau eines AKW in den Niederlanden zu beteiligen.

In die Kritik geriet auch der Einfluss der kommunalen Aktionäre im RWE-Aufsichtsrat. Aktionärssprecher forderten eine deutliche Reduzierung des Einflusses der Kommunen, die nach eigenen Angaben über einen Anteil von rund 25 Prozent an RWE verfügen. Über ihre Vorschlagsliste sollen künftig statt bisher vier nur noch drei Vertreter in das RWE-Kontrollgremium einziehen, teilte das Unternehmen mit.

Faktisch bleibt aber alles beim Alten: Die Mülheimer Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld (SPD) gehört auch künftig dem Aufsichtsrat an, jedoch nicht mehr als Vertreterin der kommunalen Aktionäre. Bei der Abstimmung entfielen auf sie 75,27 Prozent der Ja-Stimmen. Über die Liste der Kommunen zog der Dortmunder Oberbürgermeister Ullrich Sierau (SPD) in das Gremium ein, der mit einer Zustimmung von 70,92 Prozent das schlechteste Ergebnis aller zehn Mitglieder des Aufsichtsrats erhielt.

Als weitere Vertreter der Kommunen wurden der Landrat des Rhein-Sieg-Kreises Frithjof Kühn (CDU) und Roger Graef vom Verband der kommunalen Aktionäre gewählt. Mit großer Mehrheit stimmten die Aktionäre auch für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat.