Banken droht höherer Kapitalbedarf
Frankfurt/Main (dpa) - Den deutschen Banken droht Kreisen zufolge beim Blitz-Stresstest der europäischen Bankenaufsicht eine böse Überraschung. Die Kapitallücke werde größer sein als erwartet, erfuhr die Finanznachrichten-Agentur dpa-AFX am Dienstag aus Finanzkreisen.
Bislang hatte die europäische Bankenbehörde EBA bei den deutschen Banken einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 5,2 Milliarden Euro ausgemacht. Dafür waren aber noch mildere Kriterien angenommen worden. Die Ergebnisse dürften den Kreisen nach nicht mehr in dieser Woche veröffentlicht werden. Die EBA wolle die Zahlen zunächst den EU-Finanzministern vorstellen, die sich am 30. November treffen. Die EBA selbst kündigte lediglich an, die Ergebnisse im Laufe des November vorlegen zu wollen.
Ein größerer Kapitalbedarf könnte dazu führen, dass viele Institute zu Kapitalerhöhungen oder gar neuerlichen Staatshilfen greifen müssen. Bislang hatten sich die meisten europäischen Institute zuversichtlich gezeigt, die neuen Anforderungen aus eigener Kraft zu schaffen. Den bisherigen Berechnungen zufolge sah die EBA einen zusätzlichen Kapitalbedarf von 106 Milliarden Euro bei den europäischen Banken.
Doch die EBA hat die Kriterien inzwischen verschärft, wie es in den Kreisen heißt. So sollen die schlechten Ergebnisse aus dem dritten Quartal in die Berechnungen einfließen. Zudem wolle die Behörde strengere Maßstäbe für Risikoanlagen setzen, so dass auch dies den Eigenkapitalbedarf erhöhen wird. Auch die Verrechnung von Gewinnen und Verlusten bei Staatsanleihen sollen nur noch eingeschränkt möglich sein. Davon hätten besonders die deutschen Institute profitiert, da sie besonders viele der zuletzt so gefragten Bundesanleihen halten.
Die verschärften Kriterien dürften besonders die Commerzbank treffen. Ihre Kapitallücke könnte sich auf rund fünf Milliarden Euro belaufen, hieß es am Dienstag an der Börse. Ein Sprecher der Bank wollte das nicht kommentieren. Nach bisherigen Berechnungen liegt der zusätzliche Kapitalbedarf bei 2,9 Milliarden Euro. Die Commerzbank-Aktie verlor am Dienstag bis zum Handelsschluss über 15 Prozent auf 1,150 Euro. Mit 1,116 Euro hatte sie im Verlauf ein Rekordtief markiert. Commerzbank-Finanzchef Eric Strutz hatte bereits Anfang des Monats gesagt, dass sich der Kapitalbedarf noch verändern könnte. Kapitallücken sahen die Aufseher bislang noch bei der Deutschen Bank, der LBBW und der NordLB.
Mit den verschärften Kriterien wachsen die Zweifel, ob die Commerzbank die größere Lücke wirklich aus eigener Kraft stopfen kann. Wie das gelingen soll, sei ihm nicht klar, sagte etwa Equinet-Analyst Philipp Häßler. In der Branche wird schon bezweifelt, ob das Institut die 2,9 Milliarden Euro allein stemmen kann.
Im dritten Quartal hatte das Institut wegen neuerlicher Abschreibungen auf griechische Staatsanleihen einen Verlust von fast 700 Millionen Euro verbucht. Das Institut hatte Ende September noch rund 13 Milliarden Euro in Staatsanleihen der Krisenländer Griechenland, Italien, Irland, Portugal und Spanien investiert.
Die Commerzbank hatte erst im Frühjahr bei einer großen Kapitalerhöhung elf Milliarden Euro eingesammelt und damit einen großen Teil der in Finanzkrise erhaltenen Staatshilfen abgebaut. Ob Investoren noch einmal frisches Geld zuschießen, gilt angesichts der schlechten Lage des gesamten Bankensektors in Europa als zweifelhaft. Damit könnte die Bank, die immer noch zu gut einem Viertel im Besitz des Bundes ist, erneut Stütze vom Staat in Anspruch nehmen müssen. Commerzbank-Chef Martin Blessing will dies unbedingt vermeiden.
Den Blitz-Stresstest hatte die europäische Politik beim letzten Krisengipfel Ende Oktober vereinbart. Die EBA soll ermitteln, wie viel Geld die Institute brauchen, um auch bei diversen Krisenszenarien auf eine harte Kernkapitalquote von neun Prozent zu kommen. Die Institute sollen bis Ende Juni 2012 Zeit bekommen, die errechneten Lücken zu schließen.