Barroso will Banken zu mehr Eigenkapital verdonnern
Frankfurt/London/Brüssel (dpa) - Fällt Griechenland, droht ein Bankenkollaps. Denn in den Bilanzen der Institute schlummern Risiken, die lange als sicher galten: Staatsanleihen. Europa will den Flächenbrand verhindern, die Finanzbranche soll mehr Eigenkapital anhäufen.
Notfalls unter Zwang.
Die „Schutzwälle“ müssten verstärkt werden, sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso am Mittwoch im Europaparlament in Brüssel. Die Institute sollten sich am Markt frisches Kapital besorgen, um riskanten Geschäfte besser abzusichern. Gelingt dies nicht, sollen den Banken Kapitalspritzen aufgezwungen werden.
In Europa geht derzeit die Angst um, eine mögliche Pleite Griechenlands könnte Banken mit den Abgrund reißen, die milliardenschwere Anleihen aus dem Land in den Büchern haben. Ohnehin müssen die Institute wegen der Schuldenkrise hohe Abschreibungen auf Staatspapiere auch aus Portugal und Irland vornehmen.
Barroso schlug „vorübergehend höhere Kernkapitalquoten“ vor, Details soll die europäische Bankenaufsicht EBA ausarbeiten.
Zuvor hatte die Londoner Zeitung „Financial Times“ (Mittwoch) berichtet, die EBA wolle die Finanzinstitute dazu zwingen, ihre Risiken etwa in Form von Staatsanleihen mit mehr Eigenkapital abzusichern.
Nach Barrosos Plänen sollen Banken, die neues Kapital brauchen, auf Dividendenauszahlungen an ihre Aktionäre und auf Bonizahlungen an die Mitarbeiter verzichten. Sie sollten zunächst versuchen, sich über den Markt zu finanzieren. Erst wenn das nicht gelinge, würden die Staaten mit Kapitalspritzen eingreifen. In letzter Konsequenz könnte auch der Euro-Rettungsfonds EFSF einspringen.
Barroso legte die Vorschläge eineinhalb Wochen vor dem EU-Gipfel vor, der für den 23. Oktober geplant ist. „Vertrauen kann nur wiederhergestellt werden, wenn alle nötigen Elemente zur Krisenlösung sofort eingesetzt werden“, sagte er.
Die Börsen reagierten erleichtert, der Dax sprang erstmals seit Mitte August wieder über die psychologisch wichtige Marke von 6000 Punkten.
Nach FT-Informationen ist eine sogenannte harte Kernkapitalquote von neun Prozent im Gespräch. Damit ist gemeint, dass Banken ihre Risiken noch besser gegen einen Ausfall absichern sollen. Die Institute müssten die Vorgabe innerhalb von maximal neun Monaten umzusetzen, sonst drohten staatliche Finanzspritzen - auch gegen den Willen der Banken.
Nach Schätzungen der Investmentbank Morgan Stanley müssten sich die betroffenen Banken insgesamt 275 Milliarden Euro besorgen, um die von der EBA geforderte Kapitalquote zu erreichen.
Der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kotthaus, sagte am Mittwoch in Berlin: „Es ist uns wichtig, dass die relevanten wichtigen Banken in Europa allesamt so aufgestellt sind, dass sie für alle Eventualitäten gerüstet sind. Welche Instrumente welcher Höhe das dann erforderlich macht, da harren wir auch der Vorschläge durch die EBA, die schlicht und ergreifend die Zahlen hat.“
Am Wochenende war der belgisch-französische Bankkonzern Dexia zerschlagen worden, der die jüngsten Stresstests für die Branche vom Juli bestanden hatte. Ein neuer Stresstest sei nun zwar nicht geplant, erklärte die EBA in London und widersprach damit Medienberichten. Eine Sprecherin der Behörde erklärte jedoch am Mittwoch, die EBA sammle aktualisierte Daten über die Kapital-Positionen der Banken und über ihre Staatsanleihen.
Deutschlands Banken wehren sich gegen Vorwürfe, nach 2008 erneut fahrlässig in die Krisen zu geraten. Die Banken stehen nach Ansicht von Sparkassen-Präsident Heinrich Haasis zu Unrecht am Pranger. „Wir haben keine Bankenkrise, sondern eine Staatsschuldenkrise“, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV).
Ähnlich hatte sich kürzlich auch der Generalsekretär der französischen Bankengruppe Crédit Agricole, Philippe Brassac, geäußert. Er denke nicht, dass eine Rekapitalisierung der europäischen Banken das Problem regle, sagte Brassac. „In Wahrheit dient das Thema der Bankenrekapitalisierung vor allem dazu, das Schlaglicht von den finanzschwachen Staaten auf die Banken zu lenken ...“
Eine zwangsweise Rekapitalisierung lehnen Deutschlands Banken entschieden ab. Sie fürchten bei staatlichen Finanzspritzen um ihren Ruf und um ihre unternehmerische Selbstständigkeit. .
Bei Deutschlands Steuerzahlern sorgen die möglichen neuen Milliardenhilfen für Banken allerdings zunehmend für Unmut: Nach einer Forsa-Umfrage für den „Stern“ sind 78 Prozent der Bundesbürger dagegen, dass der Staat Banken mit Steuergeldern stützt, die sich verspekuliert haben. Die Wut auf die Geldhäuser sei groß angesichts der wachsenden Summen, die der Staat zu ihrer Rettung aufwenden muss.