Wirtschaftsinstitute: 2012 mageres Wachstum
Berlin (dpa) - Der deutschen Wirtschaft droht nach zwei Aufschwungjahren 2012 wegen der Euro-Schuldenkrise eine Vollbremsung. Die führenden Forschungsinstitute gehen nach einem Plus von fast drei Prozent im laufenden Jahr dann nur noch von einem mageren Wachstum von 0,8 Prozent aus.
Das erfuhren die Nachrichtenagentur dpa und die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ am Donnerstag aus Kreisen der Institute. Im Frühjahr hatten die Experten für 2012 noch ein Wachstum von 2,0 Prozent vorhergesagt. Deutschland kann sich damit den größeren Risiken in der Weltwirtschaft und den negativen Folgen der Euro-Schuldenkrise nicht länger entziehen. Die Zahl der Arbeitslosen geht aber weiter zurück.
Die Wirtschaftsexperten, die die Bundesregierung beraten, üben in ihrem Herbstgutachten scharfe Kritik an der bisherigen Euro-Rettung. Diese sei zu zögerlich und liefere immer noch kein Rezept, um der Krise Herr zu werden. Nun müsse hektisch ein Konzept für die Rekapitalisierung der Banken gefunden werden. Die massiven Käufe von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank (EZB) seien ein Fehler gewesen und würden die Unabhängigkeit der EZB infrage stellen. Das Gutachten wird an diesem Donnerstag in Berlin vorgestellt.
Trotz des schwachen Wirtschaftswachstums im kommenden Jahr wird die Arbeitslosigkeit weiter sinken. Die Institute erwarten für dieses Jahr im Jahresschnitt knapp unter drei Millionen Arbeitslose, 2012 werden dann noch gut 2,8 Millionen Menschen ohne Job sein. Dies berichteten das „Handelsblatt“ und die „Welt“ (Donnerstag) aus mit dem Herbstgutachten vertrauten Kreisen. Die Arbeitslosenquote sinkt demnach von 7,7 Prozent in 2010 auf 7,0 Prozent in diesem und 6,7 Prozent im kommenden Jahr.
Das Herbstgutachten der Wirtschaftsforscher fließt in die eigene Prognose der Bundesregierung ein. Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) bekräftigte am Mittwoch, dass die Bundesregierung angesichts der „unruhigen Zeiten“ auf den Finanzmärkten und in der Weltwirtschaft ihre Konjunkturprognose voraussichtlich senken wird. Die im Mai genannten Erwartungen von 2,8 Prozent für 2011 und 1,8 Prozent für 2012 dürften bei der Vorstellung am 20. Oktober „wahrscheinlich nach unten korrigiert werden“.
Am 21. Oktober wollen die Koalitionsspitzen über neue Ausgaben beraten. Auf Deutschland kommen bei der Rettung der europäischen Banken aber neue Milliardenlasten zu. Die Koalition muss darauf bei ihren Pläne für die zweite Regierungshalbzeit bis 2013 Rücksicht nehmen, um die Sanierung des Haushalts und die Schuldenbremse nicht zu gefährden.
Ob es überhaupt noch Spielräume für die im Sommer zwischen Union und FDP vereinbarten Steuersenkungen gibt, wird angesichts der gewaltigen Euro- und Bankenrisiken immer ungewisser. Die Institute lehnen Steuersenkungen ab. Zwar sei eine Senkung der Einkommensteuer grundsätzlich begrüßenswert. Niedrigere Steuersätze könnten aber nur über Einsparungen an anderer Stelle finanziert werden, schreiben die Institute.