Bayer-Forschung: Menschen, Pflanzen und Chemie

Der Konzern mit seinen künftig nur noch zwei Standbeinen setzt auf die Forschung.

Leverkusen. Bisher stand der Bayer-Konzern auf drei Säulen. Doch im September hatten die Leverkusener angekündigt, den Kunststoffbereich abzuspalten und sich auf die Bereiche Gesundheit und Agrar zu konzentrieren. Bei einer großen Leistungsshow, die das Unternehmen am Dienstag vor rund 140 Journalisten aus 70 Ländern präsentierte, war Konzernchef Marijn Dekkers die Kunststoffsparte nur noch einige Randbemerkungen wert. Dabei hatte diese 2013 mit 11,2 Milliarden Euro Umsatz mehr als die Agrarsparte (8,8 Milliarden) und gar nicht so viel weniger als der Pharmabereich (18,9 Milliarden) zum Gesamtumsatz beigetragen.

Für Dekkers und seinen Vorstandskollegen Kemal Malik, zuständig für den Bereich Innovation, passen die verbleibenden Konzernteile besonders gut zusammen. Die beiden Bereiche, die man zusammen als „Life Science“ bezeichnet. Die Wissenschaft also, die mit dem Leben zu tun hat: Medikamente heilen und lindern, Pflanzenschutzmittel und Düngerprodukte tragen dazu bei, die Menschen zu ernähren.

Warum die Forschung in den beiden Bereichen Gemeinsamkeiten hat und daher auch Synergieeffekte genutzt werden können, erklärt Kemal Malik so: Während alle Menschen miteinander zu 99,5 bis 100 Prozent die gleichen Gene haben und beim Schimpansen die entsprechende Ähnlichkeit hinsichtlich der Gene immerhin noch bei 98 Prozent liege, gebe es eine Vergleichbarkeit selbst bis zu einfachsten Lebensformen. Malik: „Selbst Hefen, einzellige Organismen, haben viele so genannte Housekeeping-Gene, die den betreffenden Genen beim Menschen entsprechen. Zum Beispiel solche, die Energiegewinnung aus dem Abbau von Zucker ermöglichen.“ Was solche Ausflüge in die Evolutionsbiologie für einen Wirtschaftskonzern bedeuten? Sehr viel. Lassen sich doch aus Forschungsergebnissen im Umgang mit Tieren oder Pflanzen Rückschlüsse ziehen, die auch für den Menschen nützlich sein können.

Die Nematodenbekämpfung ist für Dekkers so ein Beispiel. Diese Fadenwürmer sind nicht nur schädlich für die Nahrungsmittel — so gingen jährlich rund zwölf Prozent der weltweiten Ernte im Wert von 100 Milliarden US-Dollar durch Nematodenschäden verloren. Nematoden könnten auch für Lebewesen wie etwa den Hund zur bedrohlichen Herzwurmerkrankung führen. In diesem Bereich gebe es daher ein gemeinschaftliches Forschungsprojekt der beiden Bayer-Bereiche.

Bayer-Vorstand Malik brennt für die Chancen, die da noch auf die Menschheit zukommen, wenn er davon schwärmt, dass in den Life Sciences in den vergangenen 15 Jahren geradezu eine Revolution eingesetzt habe. Durch die Gentechnik einerseits. Aber auch durch die vielen Daten, die mit Hilfe von Computern zur Analyse genutzt werden. Und drittens durch das Internet, das den weltweiten Austausch der Forscher ermögliche. Ganz im Duktus eines Arztes spricht Kemal Malik von „unseren Patienten“, wenn er von denjenigen redet, denen die von den Forschern entwickelten Medikamente nutzen. Bayer-Chef Dekkers assistiert: Der Gerinnungshemmer Xarelto verhindere schätzungsweise zwei von drei Schlaganfällen, verglichen mit Patienten, die keinen Gerinnungshemmer nehmen. Und Malik macht denjenigen Hoffnung die unter der feuchten altersbedingten Makula-Degeneration leiden. Schon bisher wird hier durch eine Injektion ins Auge therapiert. Sollte die laufende Forschung von Erfolg gekrönt sein, könnte die eher unangenehme Injektion demnächst durch Augentropfen ersetzt werden.