Berthold Beitz: Schon zu Lebzeiten eine Legende

Wie kein Zweiter prägte Berthold Beitz die Industrie. Nun starb er mit 99 Jahren.

Essen. Er rettete im Zweiten Weltkrieg vielen hundert Juden das Leben und trug bei Krupp 60 Jahre Führungsverantwortung für eines der größten deutschen Unternehmen. Berthold Beitz war seit seinem Dienstantritt als Generalbevollmächtigter von Alfried Krupp an der Spitze des Essener Stahlkonzerns 1953 eine der außergewöhnlichsten Figuren der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

Bis kurz vor seinem Tod mit fast 100 Jahren ließ sich der Manager an fast jedem Arbeitstag in sein Büro gegenüber der Villa Hügel fahren. Als Kuratoriumschef der mächtigen Krupp-Stiftung übte er auf den heutigen Thyssen-Krupp-Konzern mit mehr als 150 000 Beschäftigten erheblichen Einfluss aus. Entscheidungen von Tragweite waren ohne ihn nicht denkbar.

Das galt auch, als 2008 das Fiasko „seines“ Thyssen-Krupp-Konzerns mit den hochfliegenden Stahlwerksplänen in Brasilien und den USA nicht mehr wegzudiskutieren waren. Beitz verließ damals zornig und schweigend eine Aufsichtsratssitzung — danach rollten Köpfe im Management. Schließlich musste Beitz auch seinen jahrzehntelangen Weggefährten und unausgesprochen designierten Nachfolger für die Stiftungsführung, Gerhard Cromme, im Frühjahr 2013 fallenlassen.

1913 geboren, hatte Beitz nach Abitur und einer Banklehre zunächst bei Shell Karriere gemacht. Im Zweiten Weltkrieg schützte er als kaufmännischer Leiter der Karpaten Öl AG im besetzten Polen auch mit persönlichem Risiko jüdische Arbeiter vor der SS. Dafür erhielt Beitz von Israel den selten verliehenen Ehrentitel „Gerechter unter den Völkern“.

Gewinnendes Auftreten zählte zu den Stärken von Beitz. Nach einer eher zufälligen Begegnung mit Alfried Krupp von Bohlen und Halbach ernannte Krupp den Manager 1953 zum Generalbevollmächtigten.

Nach Alfrieds Tod 1967 übernahm Beitz den Vorsitz der neu gegründeten Stiftung, die Krupp-Alleineigentümerin wurde. Beitz führte Krupp durch mehrere Stahlkrisen und hatte als Antreiber der Fusion mit Thyssen 1999 maßgeblichen Anteil daran, dass der Name Krupp bis heute erhalten blieb.

Der schlanke, mittelgroße Manager zeigte sich öffentlich stets mit dunklem Anzug und Einstecktuch. Sein Verständnis für die Belange der Arbeiterschaft hat Beitz oft gezeigt. Zugleich vermittelte er nach außen hin ein Gutteil der fast aristokratischen Ausstrahlung der Krupps. Seinen Nimbus nutzte Beitz etwa 2009, um zwischen ThyssenKrupp-Management und Beschäftigten zu vermitteln, die über Kürzungspläne in Streit geraten waren.

Wenn er öffentlich als „der letzte Krupp“ bezeichnet wurde, hat Beitz stets abgewehrt. „Ich bin der letzte Beitz“, sagte der Vater von drei Töchtern dann meist.