Billiges Baugeld, teure Immobilien
Die Niedrigzinspolitik kommt Hauskäufern gelegen. Doch die Preise steigen.
Frankfurt. Darlehen sind derzeit echte Schnäppchen: Nie zuvor konnten Immobilienkäufer in Deutschland ihr Eigenheim so günstig finanzieren wie heute. Denn Hypotheken mit zehn Jahren Laufzeit sind derzeit unter 2,5 Prozent zu haben, vor zwei Jahren mussten Kunden noch Effektivzinsen von fast 4,3 Prozent schlucken, vor fünf Jahren lag der durchschnittliche Effektivzins laut FMH-Finanzberatung gar bei 4,95 Prozent.
Wie lange Baugeld so günstig bleibt, hängt insbesondere von der Krisenpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) ab. Die Währungshüter halten den Leitzins seit Juli 2012 auf dem Rekordtief von 0,75 Prozent, nicht wenige Beobachter rechnen angesichts der hartnäckigen Rezession in Europa sogar mit einer weiteren Zinssenkung.
Ewig werden die Hypotheken-Zinsen nicht auf Schnäppchen-Niveau verharren. Stephan Gawarecki, Vorstandssprecher des Finanzdienstleisters Dr. Klein & Co., mahnt potenzielle Käufer, nicht allzu lange zu zögern. Langfristig sei mit deutlich höheren Zinsen zu rechnen: „Bei Abschluss eines Darlehens ist daher auf eine lange Zinsbindung in Kombination mit einer erhöhten Tilgung zu achten.“
Doch der günstige Zins hat für Menschen, die sich den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllen wollen, auch eine Schattenseite. Gepaart mit der deutschen Angst vor Inflation und den schwachen Renditeaussichten bei alternativen Geldanlagen hat der Niedrigzins das Geschäft mit „Betongold“ in Deutschland spürbar belebt — das freut Verkäufer, die höhere Preise verlangen können. In bevorzugten Wohnlagen der Metropolen wird der Wohnraum knapp. Allein 2012 zogen die Preise für Eigentumswohnungen in den sieben größten deutschen Städten laut Bundesbank umelf Prozent an.
Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht. Commerzbank-Analystin Ulrike Rondorf ist überzeugt: „Der Immobilienmarkt dürfte sich in den kommenden Jahren vor allem wegen der niedrigen Zinsen weiter beleben.“ Aus Rücksicht auf die Krisenländer werde die EZB ihre expansive Geldpolitik noch lange fortsetzen: „Wir erwarten in den kommenden Jahren einen Anstieg der Immobilienpreise um jährlich drei bis fünf Prozent, gestärkt durch spürbare Reallohnzuwächse, die hohe Beschäftigung und die niedrigen Zinsen.“
Das berge das Risiko einer Immobilienblase, auch wenn diese in Deutschland weniger wahrscheinlich sei als in Spanien oder Irland. Noch sei davon aber nichts zu spüren: In Deutschland seien die Preise seit 2009 insgesamt nur um rund acht Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In Spanien legten sie von 2000 bis 2007 um mehr als 130 Prozent zu.
Die Bundesbank sieht bisher keine Anzeichen für eine Immobilienblase in Deutschland, beobachtet die Entwicklung aber genau. Aus anderen Ländern wisse man, dass es in einer langen Phase niedriger Zinsen bei gleichzeitig hoher Liquidität zu ungesunden Entwicklungen am Immobilienmarkt kommen kann, sagte Notenbank-Vorstand Andreas Dombret: „Dem muss man entgegenwirken.“
Experten der Rating-Agentur Standard & Poor’s sehen aktuell gar eher eine Normalisierung als eine Blase. Denn bereinigt um die Inflation seien die Immobilienpreise hierzulande von 1999 bis 2008 gesunken, während sie in weiten Teilen Europas kräftig anzogen. Langfristig werde die demografische Entwicklung die Nachfrage nach Häusern und Wohnungen ohnehin bremsen.