Bundesbank: Wirtschaft drosselt Wachstumstempo
Frankfurt/Main (dpa) - Nach dem überraschend rasanten Wachstum zum Jahresbeginn hat die deutsche Wirtschaft im Frühjahr eine langsamere Gangart eingeschlagen. Zwar stuften die Unternehmen die wirtschaftliche Lage nach wie vor als außerordentlich gut ein.
Das schreibt die Deutsche Bundesbank in ihrem am Montag in Frankfurt vorgelegten Monatsbericht. Die Rekordzuversicht aus den Wintermonaten konnte sich aber nicht halten. Dennoch sieht die Notenbank Deutschland vor einem langanhaltenden Aufschwung, von dem auch die Arbeitnehmer über steigende Einkommen profitieren dürften. Die Bundesbank sagt für Deutschland eine Zunahme der Wirtschaftsleistung um 3,1 Prozent in diesem Jahr voraus. 2012 dürfte sich das Wachstum zwar verlangsamen, aber mit 1,8 Prozent deutlich über den langjährigen Erwartungen bleiben.
Bankenvolkswirte und Wirtschaftsforscher sind noch optimistischer für Europas Konjunkturlokomotive. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young erwartet nach Angaben vom Montag in diesem Jahr eine Wachstumsrate von 3,5 Prozent. Angetrieben vom Export fällt die Rate demnach bis 2015 mit etwa 2 Prozent ebenfalls überdurchschnittlich hoch aus.
Allerdings könnte ein Griechenland-Schock die eigentlich robuste Konjunktur jederzeit schlagartig bremsen. Wirtschaftsforscher Clemens Fuest aus Oxford warnte am Montag, eine ungeordnete Insolvenz Griechenlands könne dazu führen, dass die Krise auf andere Mitgliedstaaten der Eurozone übergreift: „Mit unabsehbaren Folgen für die gesamte Wirtschaft im Euroraum.“
Nach Überzeugung der Bundesbank profitieren die Arbeitnehmer durch kräftigen Einkommenssteigerungen vom Boom in Deutschland. Die im Winterhalbjahr 2010/2011 neu abgeschlossenen Tarifverträge spiegelten die erheblich verbesserte Lage der Wirtschaft und des Arbeitsmarkts wider. Abhängig von der Branche hätten sich die Tarifpartner im Durchschnitt auf kräftige Entgeltsteigerungen geeinigt. Der verstärkte Lohnanstieg bleibe aber bisher im Rahmen und heize die Inflation noch nicht an.
Stattdessen nehmen die Konsumausgaben der privaten Haushalte dank steigender Einkommen und einer verbesserten Arbeitsmarktlage zu - trotz deutlich anziehender Preise. „Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte könnten in diesem Jahr um 3,5 Prozent und im kommenden Jahr um 3 Prozent ansteigen“, sagte die Bundesbank voraus. Auch wenn immer mehr Stellen befristet oder über Leiharbeit besetzt würden, habe die Angst vor Arbeitslosigkeit insgesamt doch spürbar nachgelassen.
Aus Sicht der Währungshüter muss der Staat die Chance ergreifen und die dringend notwendige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte mit Nachdruck fortsetzen. Die Defizitquote könne 2011 auf unter 2 Prozent sinken. 2010 hatten Konjunkturpakete, Kurzarbeitergeld und Bankenrettung das Defizit auf 3,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und damit über den erlaubten Wert von 3,0 Prozent gehoben. „Nunmehr zeichnet sich eine schrittweise Erholung ab, sofern der finanzpolitische Kurs nicht gelockert wird und sich weitere Belastungen aus der Finanz- und Staatsschuldenkrise in engen Grenzen halten“, schrieb die Bundesbank.
Nach aktuellem Stand könne das Defizit 2012 weiter zurückgefahren werden, auch wenn die Währungshüter erhebliche Risiken im Zusammenhang mit den europäischen Hilfsprogrammen für klamme Eurostaaten und der Stützung deutscher Finanzinstitute sehen.
Allerdings sind aus Sicht der Bundesbanker weitere Anstrengungen erforderlich, wenn das Ziel eines annähernd ausgeglichenen Haushalts erreicht werden soll. Bundesbank-Chef Jens Weidmann hatte die Politik erst kürzlich davor gewarnt, die konjunkturell bedingten Mehreinnahmen für Steuergeschenke zu missbrauchen: „Der Fehler, dass in guten Zeiten nicht genug Haushaltsdisziplin gewahrt wurde, darf nicht wiederholt werden.“