Bundesregierung rechnet mit 1,8 Prozent Wachstum

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung rechnet mit einem dauerhaften Aufschwung in Deutschland. Angesichts der Rekordbeschäftigung und steigender Löhne hat die Koalition ihre Konjunkturprognose deutlich auf 1,8 Prozent angehoben.

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Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel warnte aber vor Übermut: „Wirtschaftlicher Erfolg ist kein Selbstläufer.“ Weltweite Krisen oder die ungelöste Zukunft Griechenlands könnten rasch die Unternehmen, die bei Exporten vom schwachen Euro sowie vom billigen Öl profitieren, wieder verunsichern.

Die Opposition kritisierte, die guten Zahlen fielen dem schwarz-roten Kabinett in den Schoß. Die Wirtschaftsverbände wiederum fühlen sich durch den gesetzlichen Mindestlohn und andere Vorgaben schikaniert.

Für dieses und das nächste Jahr erwartet die Regierung nun einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um jeweils 1,8 Prozent. Damit hat auch die große Koalition ihre bisherige Schätzung von 1,5 Prozent für 2015 deutlich nach oben geschraubt - jedoch weniger stark als die führenden Wirtschaftsforscher, die mit 2,1 Prozent kalkulieren.

„Es ist vernünftig, auf der sicheren Seite zu bleiben“, meinte Gabriel. Wichtig sei es jetzt, in guten Zeiten die Weichen für die Modernisierung des Landes zu stellen und mehr in Infrastruktur, Bildung und Forschung zu investieren. Steuersenkungen nannte er in diesem Zusammenhang nicht.

Der Arbeitsmarkt ist laut der Frühjahrsprognose in exzellenter Verfassung. In diesem Jahr soll die Zahl der Beschäftigten um 300 000 und 2016 um weitere 130 000 auf das Rekordniveau von 43,1 Millionen Erwerbstätigen steigen. Die Zahl der Arbeitslosen werde auf 2,79 Millionen beziehungsweise 2,77 Millionen sinken.

Die Beschäftigten haben auch mehr Geld in der Tasche: Die Nettolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer nehmen der Prognose zufolge in diesem Jahr um 2,8 Prozent und im kommenden Jahr um 2,1 Prozent zu. Die verfügbaren Einkommen sollen 2016 noch etwas stärker steigen.

Damit dürfte auch der Privatkonsum kräftig zulegen - 2015 preisbereinigt um 2,0 und 2016 um 1,6 Prozent. Die Früchte des Aufschwungs kämen bei den Bürgern an, meinte Gabriel. Auch der im Januar eingeführte Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde habe die Kaufkraft gestärkt.

Der Wirtschaftsverband DIHK hielt dagegen, gerade der Mindestlohn gefährde die gute Arbeitsmarkt-Entwicklung. Die Spitzen der deutschen Wirtschaft hatten zuletzt öffentlich gegen die Politik von Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) Front gemacht. Hohe Energiekosten, Rente mit 63, Mindestlohn, Reform der Erbschaftsteuer - die Unternehmen sähen ständig neue Belastungen auf sich zukommen.

Gabriel wies das in großen Teil zurück, etwa beim Mindestlohn: „Das Halten an Recht und Gesetz als bürokratisches Monstrum zu verurteilen, das finde ich irgendwie 'ne skurrile Idee.“ Die Firmen müssten auch nicht über zu wenige Kinder jammern, wenn jungen Leuten nach Studium oder Lehre nur befristete Verträge angeboten würden.

Jahrelang habe die Wirtschaft die Abschaffung von Flächentarifverträgen gefordert, jetzt sollten diese auf einmal geschützt werden. Dieses Verhalten erinnere ihn an „eine Form von Täter-Opfer-Ausgleich“, sagte Gabriel.

Die Linkspartei kritisierte, vom höheren Wachstum profitierten nicht alle Bürger im gleichen Maße. „Während sich Superreiche über Vermögenszuwächse im zweistelligen Bereich freuen können, gibt's bei der Kindergelderhöhung nur Brosamen“, sagte Fraktionsvize Klaus Ernst.