Chefvolkswirt Krämer: EZB-Geldpolitik facht Häuserpreise an
Frankfurt/Main (dpa) - Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer warnt vor einer Immobilienblase in Deutschland als Folge der Billiggeldschwemme der Europäischen Zentralbank (EZB).
„Die Immobilienpreise sind noch nicht außer Rand und Band, wenn man sie vergleicht mit den erzielbaren Mieten, den verfügbaren Einkommen und dem Schuldendienst“, sagte Krämer der Deutschen Presse-Agentur. Wenn es noch Jahre so weitergehe, könnte am Ende aber eine Blase stehen. „Das Risiko ist ganz klar real“, sagte Krämer. Als ein wichtiger Grund für die internationale Wirtschafts- und Finanzkrise 2008 gilt das Platzen der Immobilienblase in den USA.
Aus Sicht Krämers gibt es zwar noch keine Anzeichen für eine Blase, wohl aber für eine Überhitzung auf Immobilienmärkten in gefragten deutschen Städten. In Großstädten seien die Häuserpreise seit 2010 um knapp 30 Prozent stärker gestiegen als die Mieten und um gut ein Drittel stärker als die verfügbaren Einkommen der Großstädter. „Ich glaube, wir sind eingetreten in eine Phase der Überhitzung, die noch viele, viele Jahre anhalten kann.“
Dabei spiele die Geldpolitik der EZB eine wichtige Rolle. Die Geldschwemme der Notenbank verhindere ungewollt eine Lösung der Staatsschuldenkrise. Sie senke die Anreize für die Politik, die Probleme anzugehen, zum Beispiel in Italien. Die Staaten im Euroraum kommen wegen der Niedrigzinsen vergleichsweise billig an Geld.
„Viele Menschen sehen, dass die Ursachen der Staatsschuldenkrise in der Breite noch nicht gelöst sind. Sie misstrauen der Geldflut der EZB intuitiv und suchen Schutz in Sachwerten“, sagte Krämer. Durch die Niedrigzinspolitik der EZB seien zudem die Zinsen für Baukredite deutlich gesunken. „So dass die niedrigen Zinsen vielen Menschen vorgaukeln, sie könnten sich jetzt eine teure Immobilie leisten.“ Weil Anleihen wegen der Geldpolitik kaum noch etwas abwerfen, weichen vermögende Anleger zudem auf die Immobilien aus. „Über mehrere Kanäle facht die EZB die Häuserpreise in Deutschland an“, sagte der Ökonom.
Krämer forderte, die EZB sollte sich zumindest einen Ausstiegsplan zurechtzulegen: „So schlecht geht es dem Euroraum nicht mehr, als dass er so niedrige Zinsen bräuchte.“ Auch die deutsche Politik könne etwas gegen die Überhitzung der Häuserpreise tun. So könne ab einem bestimmten Punkt vorgeschrieben werden, dass Hausbauer genug Eigenkapital haben müssten, um einen Kredit zu bekomme. Solange die EZB die lockere Geldpolitik noch ausweite und die Nullzinspolitik auf Jahre zementiere, sei es allerdings sehr schwierig, mit administrativen Maßnahmen dagegenzuhalten.
Nach Angaben der Immobilienbranche waren die Preise für Eigentumswohnungen in Westdeutschland im vergangenen Jahr im Schnitt um 7,2 Prozent gestiegen. In Ostdeutschland (ohne Berlin) legten sie um 6,2 Prozent zu. Die Unterschiede zwischen einzelnen Regionen sind nach Angaben des Zentralen Immobilien Ausschusses allerdings groß.
Die EZB hatte am Donnerstag im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche massiv nachgelegt. In einem bisher einmaligen Schritt senkte sie unter anderem den Leitzins auf Null Prozent, weitete ihre umstrittenen Anleihenkäufe aus und brummte Banken höhere Strafzinsen auf, wenn sie Geld bei ihr parken.