Chefvolkswirtin: Fed erhöht US-Leitzinsen bis 2018

Paris (dpa) - Eine Anhebung des Leitzinses in den USA in der kommenden Woche wäre nach Einschätzung der Chefvolkswirtin der französischen Großbank Société Générale, Michala Marcussen, der Auftakt für weitere Zinsschritte.

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Die Expertin rechnet zunächst mit einer Erhöhung des US-Leitzinses, der seit der Finanzkrise 2008 praktisch bei null liegt, um 0,25 Prozentpunkte.

Bis 2018 könnten anschließend weitere Anhebungen bis auf ein Niveau von 2,75 Prozent erfolgen. „Dann hat der US-Konjunkturzyklus seine Reife erreicht“, sagte Marcussen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Für die Eurozone geht sie hingegen in den nächsten fünf Jahren von keinen höheren Leitzinsen aus.

Die amerikanische Notenbank Fed entscheidet am Mittwoch (16. Dezember) über ihre weitere Zinspolitik. Zuletzt hatte sie die wegen sinkender Arbeitslosenzahlen seit längerem in Aussicht gestellte Anhebung mehrfach aufgeschoben. „Aber inzwischen fühlt sich die Fed immer unwohler mit dem Gedanken, dass sie möglicherweise zu spät die Zügel anzieht“, meinte Marcussen.

Derzeit liegen die Zinsen in wichtigen Wirtschaftsräumen wie den USA, der Eurozone und Japan auf historischen Tiefständen. Ein Kurswechsel der Fed wird daher angesichts der schwer einzuschätzenden Folgen für die globalen Finanzmärkte mit besonderer Spannung erwartet.

Für den Euroraum hatte die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang Dezember eine weitere Lockerung der Geldpolitik beschlossen. Die Erwartungen vieler Analysten wurden jedoch nicht erfüllt, an den Aktienmärkten kam es zu deutlichen Verlusten. Marcussen betonte, die Anleger würden die fortgesetzte Geldschwemme inzwischen nicht mehr uneingeschränkt begrüßen, sondern zunehmend das schwache Wachstum und die hohe Arbeitslosigkeit in vielen Ländern der Eurozone mit in Betracht ziehen.

Deswegen sei auch 2016 mit Schwankungen an den Börsen zu rechnen. Als Unsicherheiten für die weitere wirtschaftliche Entwicklung in Europa sieht Marcussen vor allem einen möglichen Austritt Großbritanniens aus der EU („Brexit“) sowie einen plötzlichen Anstieg des Ölpreises.

Die jahrelange lockere Geldpolitik - Niedrigzinsen in Verbindung mit massiven Anleihekäufen der EZB und anderer Zentralbanken - gilt als problematisch, weil im Fall einer überraschend hereinbrechenden Krise klassische Gegenmittel wie Zinssenkungen nicht zur Verfügung stehen. Marcussen hält es deshalb für sehr wahrscheinlich, dass in so einem Szenario das Tabu der Staatsfinanzierung über die Notenpresse gebrochen würde.

„Das wäre das nächste unorthodoxe Instrument, das zum Einsatz kommen könnte, wenn wir in eine neue Krise geraten“, glaubt die aus Dänemark stammende Ökonomin. Eine solche Haushaltspolitik mit Hilfe der Notenbanken sei aber nicht grundsätzlich abzulehnen, wenn öffentliche Gelder „sinnvoll und effizient investiert“ würden, um die Nachfrage bei Verbrauchern und Unternehmen anzukurbeln.