Daimler und Rolls-Royce bieten Milliarden für Tognum
Stuttgart (dpa) - Daimler und Rolls-Royce haben ein Milliardenangebot für die Übernahme des Motorenbauers Tognum auf den Tisch gelegt. Über drei Milliarden Euro wollen sich die beiden Unternehmen das Geschäft kosten lassen.
Das Management der Friedrichshafener kann sich mit der Offerte aber noch nicht so recht anfreunden. Zwar preisen die Unternehmen unisono die vielfältigen Vorteile einer engen Zusammenarbeit, Einigkeit über den Preis gibt es bisher aber nicht. Daimler und der britische Motorenhersteller wollen sich jeweils 50 Prozent der Anteile teilen und das Unternehmen gemeinsam führen. Ziel sei, einen globalen Marktführer für Industriemotoren zu schaffen, sagten Daimler-Konzernlenker Dieter Zetsche und Rolls-Royce-Chef John Rose am Mittwoch. Die Wachstumschancen in diesem Bereich seien in den nächsten Jahren hervorragend, begründete Zetsche die Investition. „Indem wir unsere Kräfte bündeln, werden wir uns künftig ein deutlich größeres Stück von diesem wachsenden Kuchen sichern.“
Tognum ist besonders bei Großdieselmotoren stark, die unter anderem Frachtschiffe, Yachten, Schienenfahrzeuge und Panzer antreiben. Zudem kommen die Motoren in dezentralen Energieanlagen zur Stromversorgung besonders in Schwellenländern zum Einsatz. Daimler liefert den Friedrichshafenern kleinere Dieselmotoren, die sie für Einsatzzwecke jenseits der Straße umrüsten. Rolls-Royce baut neben Flugzeugmotoren ebenfalls Motoren für den Einsatz in Marineschiffen und Energieanlagen.
„Wir haben ganz klar vor, uns langfristig strategisch in diesem Geschäft zu engagieren“, sagte Zetsche. Daimler werde seine Kompetenz bei der Entwicklung und dem Bau von Motoren einbringen. Dies gelte auch für Geschäftsbereiche jenseits der Straße. „Umgekehrt erwarten wir für unser eigenes Nutzfahrzeuggeschäft Synergien bei der Motorenentwicklung.“
Wann die Zukunftspläne allerdings Realität werden und wie viel Geld die Schwaben tatsächlich auf den Tisch legen müssen, steht noch in den Sternen. In dem offiziellen Übernahmeangebot werden den Tognum-Aktionären 24 Euro je Anteilsschein geboten. Ob das Angebot im Wert von insgesamt 3,2 Milliarden Euro reicht, ist nach Informationen der „Financial Times Deutschland“ offen. Profiinvestoren wollen sich demnach nur von ihren Anteilen trennen, wenn das Angebot deutlich über dem Kurs von 24 Euro beim Börsengang 2007 liege und die guten Geschäftsaussichten für Tognum eingerechnet würden.
Dass die Zweifel an einem schnellen Abschluss berechtigt sind, bestätigte auch Zetsche. Es sei nicht zu erwarten, dass das Tognum-Management den angebotenen Kaufpreis zur Annahme empfehle. „Das ist nicht ihre Rolle.“ Das Angebot sei aber attraktiv, sagte Zetsche. „Wir werden sehen.“ Die Tognum-Aktie legte um rund sechs Prozent auf 64,63 Euro zu.
Der künftige Tognum-Chef Joachim Coers betonte, dass Einigkeit über die gemeinsame Zukunftsstrategie herrscht. Demnach soll der derzeitige Finanzvorstand im Herbst auf den amtierenden Tognum-Chef Volker Heuer folgen und auch künftig an der Spitze des Motorenbauers stehen. Der Unternehmenssitz des Motorenbauers soll in Friedrichshafen bleiben, die Stammbelegschaft wird übernommen. Zetsche sagte, er sehe künftig eher Potenzial als Risiken für die Beschäftigung.
Konkret will Daimler seinen derzeitigen Anteil von 28,4 Prozent an Tognum auf 50 Prozent ausbauen. Die Briten planen, in das Gemeinschaftsunternehmen ihre Tochter Bergen einzubringen, in der das Geschäft mit Gas- und Dieselmotoren mittlerer Geschwindigkeit gebündelt ist. Daimler rechnet nach Angaben von Zetsche mit Nettoausgaben von maximal 900 Millionen Euro. Dies soll aus den Reserven des Konzerns bezahlt werden, Daimler wies zuletzt eine Nettoliquidität von rund zwölf Milliarden Euro aus. Rolls-Royce würde rund 1,4 Milliarden Euro zahlen.
Für Daimler bedeutet die Tognum-Übernahme eine Rolle rückwärts. Der Dieselmotorenspezialist, der damals noch MTU Friedrichshafen hieß, gehörte schon bis Ende 2005 zum Autokonzern, wurde jedoch vom damaligen Daimler-Chef Jürgen Schrempp an den schwedischen Finanzinvestor EQT verkauft. Das Unternehmen kam im Juli 2007 zurück an die Börse. 2008 erwarb Daimler dann wieder mehr als ein Fünftel an Tognum.
„Man kann sich fragen, aber das schafft heute überhaupt keinen Wert, wie wertstiftend der Verkauf damals war“, sagte Zetsche. Viel wichtiger sei aber, dass das jetzt geplante Engagement für den Autobauer wertvoll sei. „Das ist eine wirtschaftlich hochvernünftige Transaktion.“