Davos diskutiert Wege aus der Euro-Krise
Davos (dpa) - Mit Debatten über das Euro-Krisenmanagement und den Kapitalismus der Zukunft hat das Weltwirtschaftsforum in Davos begonnen. Mit einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird das prestigeträchtige Treffen am Nachmittag (17.30) offiziell eröffnet.
Das 42. WEF findet vor dem Hintergrund von Staatsschuldenkrisen, Umwälzungen in der Arabischen Welt und explodierenden Nahrungsmittelpreisen statt. Im Vorfeld griff Investorenlegende George Soros das von Deutschland geführte Euro-Krisenmanagement scharf an. „Deutschland diktiert eine Politik, die in eine Schuldenspirale mit deflationären Folgen führt“, sagte Soros. Er frage sich, wann sich die Erkenntnis durchsetze, „dass die Währungsunion auf einem selbst zerstörerischen Kurs ist“.
Als Weg aus der Krise schlug Soros vor, Problemstaaten wie Griechenland nicht nur zu strikter Haushaltsdisziplin zu zwingen. „Sie brauchen zudem einen Stimulus, der eine Deflationsspirale verhindert“, fordert Soros. Als Hilfe für angeschlagene Staaten wie Italien und Spanien schlug er einen „Kreditgeber der letzten Zuflucht“ aus Europäischer Zentralbank und den Krisenmechanismen EFSF und ESM vor. Mit diesem Garanten im Rücken könnten sich die Staaten günstig refinanzieren.
Soros warf Deutschland vor, Euro-Krisenstaaten unerreichbare Ziele zu setzen und sie damit gegen sich aufzubringen. Das derzeitige Euro-Krisenmanagement erzeuge Widerstand in Ländern der Peripherie.
Besonders in der Kritik stehen in Davos Vertreter von Banken und Finanzinvestoren. Der Kapitalismus des 20. Jahrhunderts sei für das 21. Jahrhundert nicht mehr geeignet, sagte die Generalsekretärin des internationalen Gewerkschaftsbundes ITUC, Sharan Burrow, in einer Podiumsdiskussion. Die Ungleichheiten seien heute in der Welt so groß wie vor der Krise der 1930er Jahre. Hunderte Millionen Menschen seien ohne Arbeitsplatz. Der Kapitalismus habe es verpasst, sichere Jobs zu schaffen und den Reichtum gleichmäßig zu verteilen.
Banken seien der Spiegel der Wirtschaft, verteidigte sich der Chef der Bank of America, Brian Moynihan. „Natürlich gibt es Exzesse, die sind aber eingedämmt worden.“ Die Arbeitsweise der Banken habe sich seit 2008 im Zuge der Finanzkrise enorm verändert.
Der ehemalige Chefökonom des Internationalen Währungsfonds (IWF), Raghuram Rajan, hält eine Zerschlagung von Großbanken nicht für zielführend, um künftigen Finanzkrisen vorzubeugen. In der Vergangenheit hätten die systemrelevanten Institute zwar davon profitiert, zu groß und zu vernetzt zu sein, um von Staaten fallen gelassen zu werden, sagte der Professor der Business School der Universität Chicago. Allerdings seien höhere Kapitalpuffer und Maßnahmen für besseres Risikomanagement ausreichend, um den Bankensektor für die Zukunft stabil aufzustellen.
In Davos treffen sich 2600 Politiker, Wirtschaftslenker, Wissenschaftler und zivilgesellschaftliche Vertreter. Das Treffen steht unter dem Motto: „Die große Transformation - neue Modelle gestalten.“
Kritiker des Weltwirtschaftsforums demonstrierten am Mittwoch in unmittelbarer Nähe des Davoser Kongresszentrums. Dutzende Aktivisten flanierten mit Hundeleinen durch die Haupteinkaufsstraße, wenige hundert Meter vom Tagungsort entfernt - allerdings ohne Hunde. Dabei trugen sie Schilder mit der Aufschrift „Konzerne an die Leine“. Sie kritisierten, Schweizer Konzerne könnten im Ausland gegen Menschenrechte und Umweltstandards verstoßen und dafür in der Heimat nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Sicherheitskräfte, die die Innenstadt von Davos hermetisch abgeriegelt haben, griffen zunächst nicht ein.
Globalisierungskritiker sind in diesem Jahr zum ersten Mal in der Nähe des WEF vertreten. Wenige Kilometer vom Tagungsort entfernt betreibt die Occupy-Bewegung ein Iglu-Dorf. Auch eine Demonstration - allerdings auf einem etwas abgelegenen Platz - ist geplant.
In Davos sind hunderte Polizisten und bis zu 5000 Soldaten im Einsatz. Viele Kilometer Drahtzaun wurden rund um das Tagungsgelände verlegt.