Der Möbelkönig muss hinter Gitter
Wegen erschlichener Kredite und Bilanzfälschungen wurde Rolf Demuth zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Detmold. Er galt als einer der größten Wirtschaftsstrafverfahren der Nachkriegsgeschichte: Der Prozess um die Pleite des einst mächtigsten Möbelproduzenten Europas, der Schieder-Gruppe.
Am Donnerstag verkündete der Vorsitzende Richter Michael Reineke die erwarteten Schuldsprüche wegen erschlichener Kredite von mehr als 280 Millionen Euro: Mehrjährige Haftstrafen gegen führende Manager wegen Kreditbetrugs oder Bilanzmanipulationen. Denn die Schieder-Spitze hatte jahrelang Zahlen geschönt und Geldgeber getäuscht, um an Kredite zu kommen.
Mit einem gewissen Stolz hob der Richter hervor, was das kleine lippische Landgericht Detmold hier geleistet habe. „Wie oft werden Wirtschaftsverfahren gar nicht eröffnet?“ Und auch vor dem Detmolder Verfahren hätten viele geunkt: „Die kaufen sich doch am Ende sowieso frei.“
Fast genau vier Jahre nach dem ersten Insolvenzantrag Ende April 2007 wurden die Urteile gegen den Firmengründer Rolf Demuth und drei seiner ehemaligen Manager verkündet. Über Jahre hatte die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt. 324 Seiten hatte die Anklageschrift, 10 000 Blatt die Akten. 33 Verhandlungstage, 69 Zeugen und ein Sachverständiger zeugen von dem Aufwand.
Bei der Schieder Holding waren zwei Welten aufeinandergeprallt: Die beschauliche Welt des Rolf Demuth, der jeden Pförtner seines Unternehmens persönlich kannte. Und ein Unternehmen, in dem die einzelnen Geschäftsführer der über 100 Tochtergesellschaften sich selbst um ihre Finanzierung kümmerten.
Als das System an die Grenzen stieß, stellte der neue Finanzchef auf ein zentrales System um. Moderne Finanziers brachen ins Imperium ein. Plötzlich hatten es die Schieder-Leute unter anderem mit Hedgefonds zu tun, denen es nur um Profit ging.
Am Ende des Mammutverfahrens standen Haftstrafen für den 72 Jahre alten Firmengründer (dreieinhalb Jahre) und seinen Finanzchef (drei Jahre und drei Monate) sowie Bewährungsstrafen für die beiden anderen Angeklagten. Den Vorwurf des besonders schweren Betrugs — Höchststrafe bis zu zehn Jahre — musste Oberstaatsanwalt Rolf Günther im Verfahren widerwillig fallenlassen.
Aber schon in seinem fast zweistündigen Plädoyer hatte der Ankläger festgestellt: „Der ehemalige Henry Ford der Möbelbranche wird mit diesem Urteil vom Sockel gestoßen.“ Demuth hatte — wie Ford in der Automobilproduktion — den Sprung von der handwerklichen zur Fließbandproduktion in der Möbelbranche eingeleitet. Schieder war auch Ikea-Lieferant.