Deutsche Bank muss mit Niederlage im Kirch-Prozess rechnen
München (dpa) - Es war kein „Unfall“ - das Oberlandesgericht München ist überzeugt, dass Ex-Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer 2002 in einem Interview nicht ohne Hintergedanken die Kreditwürdigkeit von Leo Kirch in Zweifel zog.
Für die Bank könnte das teuer werden.
Die Deutsche Bank muss sich im milliardenschweren Schadenersatzstreit mit den Kirch-Erben auf eine Niederlage einstellen. Das Münchner Oberlandesgericht machte zum Abschluss der Beweisaufnahme am Freitag deutlich, dass es eine Verurteilung der Bank für wahrscheinlich hält - und dass es die Aussagen des früheren Bank-Chefs Rolf Breuer für unglaubwürdig hält. Der wies die Vorwürfe des Gerichts als „ungeheuerlich und ehrenrührig“ zurück. Der Prozess geht am 14. Dezember weiter. Unklar ist, ob dann das Urteil fällt.
Breuer hatte 2002 in einem Interview die Kreditwürdigkeit Kirchs angezweifelt. Wochen danach ging dessen Medienimperium pleite. Der inzwischen gestorbene Kirch machte Breuer und die Bank zeitlebens dafür verantwortlich. Hinter allem stecke der Plan, am Verkauf und Umbau des Kirch-Konzerns mitzuverdienen. Kirchs Erben fordern seither allein in diesem Verfahren gut 2 Milliarden Euro Schadenersatz. Breuer hatte das Interview in dem Verfahren als „Unfall“ bezeichnet.
Er würde die Sätze von damals heute nicht mehr wiederholen. Aber er habe keinen Plan verfolgt, sondern sei von den Fragen des Journalisten überrascht worden. Der Vorsitzende Richter Guido Kotschy hält das für wenig glaubwürdig. „Sie waren voll auf der Höhe, intellektuell voll auf der Höhe. Sie wussten, darf ich auf solche Fragen antworten oder nicht.“ Vielmehr habe Breuer auf diesem ungewöhnlichen Wege Druck auf Kirch machen wollen, um mit ihm ins „Geschäft zu kommen“.
Zugleich sagte Kotschy, das Gericht glaube nicht an die von der Kirch-Seite vorgetragene Verschwörungstheorie, die das Interview als einen Teil eines großen Plans zur Zerschlagung von Kirch sieht. Auch den geforderten Schadenersatz von 2 Milliarden Euro hält das Gericht für falsch berechnet. Kotschy nannte eine Spanne von 120 Millionen Euro bis maximal 1,5 Milliarden Euro. Auf eine Summe dazwischen wird sich die Bank nun wohl einstellen müssen.
Am Vormittag hatte der ehemalige KirchMedia-Geschäftsführer Dieter Hahn berichtet, der Kirch-Konzern habe in den Tagen vor der Insolvenz vergeblich versucht, durch einen Notverkauf der Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 an den Disney-Konzern frisches Geld aufzutreiben. Für Disneys Absage machte Hahn Breuer mitverantwortlich: Der Banker habe mit seinem Interview Unsicherheit gesät.
Danach hielten Kirch-Seite und Bank ihre Schlussvorträge. Weitere Zeugen sind bisher nicht benannt. Während die Anwälte von Kirch erneut die Bank für den Zusammenbruch des Konzerns verantwortlich machten, wies die Bank die Vorwürfe zurück: Kirch sei bereits vorher Pleite gewesen. Kotschy mahnte erneut einen Vergleich an. Die Deutsche Bank betonte, man sehe derzeit keinen Anlass dafür, selbst einen Vergleich anzubieten, werde über Angebote aber reden. Ähnlich äußerte sich die Kirch-Seite.
Gegen eine Verurteilung dürfte die Bank Rechtsmittel einlegen. Der seit zehn Jahren andauernde Rechtsstreit dürfte also auch nach einem Spruch des Oberlandesgerichts München weitergehen, zumal ein weiteres Schadensersatzverfahren noch anhängig ist.