Deutsche sind bei Urlaubsreisen spendabel wie nie
Berlin (dpa) - Reiseweltmeister sind die Deutschen zwar nicht mehr - aber für die schönsten Wochen des Jahres geben sie so viel aus wie nie zuvor.
Die Urlaubsausgaben erreichten im vergangenen Jahr trotz wirtschaftlicher Unsicherheiten mit rund 63 Milliarden Euro für Reisen von fünf Tagen und mehr einen Rekordwert. Das berichtete die Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) auf der weltgrößten Reisemesse ITB in Berlin, die am Mittwoch begann. Das entsprach einem Plus von von vier Prozent. Jeder Bundesbürger ließ sich seine Reise im Durchschnitt 914 Euro kosten. Das beliebteste Flugziel bleiben die Balearen.
Der weltgrößte Branchentreff war am Vorabend erstmals von Bundeskanzlerin Angela Merkel eröffnet worden. Sie würdigte die Messe mit ihren gut 10 000 Ausstellern aus mehr als 180 Ländern. „In 80 Tagen um die Welt ist passé. In 80 Minuten auf der ITB kann man das auch schaffen“, sagte Merkel. Partnerland in diesem Jahr ist Indonesien. Bis Sonntag werden rund 170 000 Gäste erwartet. Am kommenden Wochenende ist die ITB für das breite Publikum geöffnet. Die Besucher können erstmals Reisen buchen.
Merkel rief die Deutschen auf, auch im eigenen Land Urlaub zu machen. Millionen bleiben zuhause. Aber auch Mallorca und Co. feierten im vergangenen Jahr mit einem Plus um 3,6 Prozent auf 4,1 Millionen Passagieren aus Deutschland erneut bei Flugreisen einen Rekord. Das geht aus jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes hervor.
Auch bei Alltours sind Mallorca-Reisen und zudem die Türkische Riviera in diesem Sommer besonders stark gefragt. Für das laufende Geschäftsjahr sind Alltours-Chef Willi Verhuven zufolge schon 65 Prozent des Gesamtvolumens an Reisen gebucht. Wie schwierig das Geschäft geworden ist, zeigt aber die Ankündigung des angeschlagenen Reisekonzerns Thomas Cook, der in Großbritannien 195 Reisebüros schließt und 2500 Stellen streicht.
Insgesamt stieg die Zahl der Fluggäste aus Deutschland mit Auslandsziel im vergangenen Jahr um 2,8 Prozent auf 77,3 Millionen. In Europa mussten die Griechen die größten Rückgänge verkraften, aus Deutschland kamen noch 2,06 Millionen Fluggäste nach Hellas, ein Zehntel weniger als ein Jahr zuvor der FUR-Reisestudie zufolge. Aber auch hier zeichnet sich ein Comeback ab: Bei Alltours sei „die Entwicklung sehr erfreulich“ mit einem Plus für Griechenland von 30 Prozent.
Für 2013 sind die Aussichten laut der FUR-Reiseanalyse ebenfalls positiv. „55 Prozent der Bundesbürger haben bereits feste Urlaubspläne, nur 12 Prozent wollen sicher nicht verreisen“, sagte FUR-Studienleiter Martin Lohmann. Die Reiseausgaben sollen stabil bleiben. Die meisten wollen genauso viel ausgeben wie 2012.
Laut der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) sind Kurzreisen und speziell Städtereisen immer beliebter. Auch für Kurz-Trips greifen die Deutschen tiefer in die Tasche. Sie gaben im vergangenen Jahr laut FUR 20,1 Milliarden Euro nach 18,7 Milliarden Euro im Vorjahr aus. Das Gesamtvolumen der Urlaubsreisen war mit knapp 70 Millionen Reisen stabil.
Trotz allen Fernwehs: Die meisten Deutschen bleiben im Urlaub zu Hause. Das gilt für 31 Prozent aller Urlaubsreisen, wie die FUR-Anlayse ergab. Für immer mehr Ausländer ist Deutschland als Reiseland beliebt wie nie. Deutschland habe viele Pluspunkte. „Im europäischen Vergleich ist das Preis-Leistungsverhältnis unschlagbar“, sagte DZT-Chefin Petra Hedorfer.
Beliebter werde der Shoppingurlaub hierzulande: Der Einzelhandel verbuchte 1,5 Milliarden Euro Umsatz durch ausländische Gäste von außerhalb der EU, die umsatzsteuerfrei einkaufen können - ein Plus von 46 Prozent. Da machten sich die sprunghaft gestiegenen Zahlen der Russen, Araber und Schweizer bemerkbar - und der neuen Reiseweltmeister, der Chinesen.
68,8 Millionen Übernachtungen ausländischer Besucher waren es nach Angaben des Statistischen Bundesamtes insgesamt - ein Rekord. Das deutliche Plus von 8,1 Prozent brachte 2012 einen Wachstumsschub für das Reiseland Deutschland, wie Hedorfer sagte. Die Deutschen buchen inzwischen mehr als jede dritte Reise ganz oder teilweise im Internet. Im Touristikjahr 2011/2012 stiegen die Online-Buchungen um gut ein Fünftel auf einen Anteil von gut 36 Prozent, wie das Nürnberger Marktforschungsunternehmen GfK ermittelte. „Für Reiseziele wie die USA, Großbritannien oder Frankreich liegt der Online-Buchungsanteil bereits bei über 50 Prozent“, heißt es.
Auch beim klassischen Badeurlaub, der für ein gutes Fünftel der vorabgebuchten Urlaubsreisen stehe, liege der Anteil nahezu gleichauf mit der Buchung im stationären Reisebüro. Einer Reisestudie im Auftrag der EU-Kommission zufolge, buchen bereits 53 Prozent der Europäer ihr Reiseziel im Internet. Die meisten Europäer zieht es dabei in die Sonne. Jeder Vierte will vor allem an den Strand und ins Warme, wobei Spanien, Italien und Frankreich besonders beliebt sind.
Trotz aller Reisefreude sind die Deutschen laut FUR sensibel für politische und wirtschaftlichen Unsicherheiten in den Zielländern. Zu den Verlierern zählten bislang Griechenland, Ägypten und Tunesien. Profiteure seien die Türkei und Spanien. Habib Ammar, Generaldirektor des Fremdenverkehrsamtes Tunesien, zeigte sich am Mittwoch auf Reisemesse ITB dennoch zuversichtlich: Die jüngsten politischen Unruhen im Februar seien vielleicht ein Dämpfer für derzeitige Buchungen, für die Hauptsaison spiele das aber seiner Einschätzung nach keine Rolle.