„Die Stimmung ist besser als die Lage“
Ifo-Chef Hans-Werner Sinn sieht kurzfristig schwarz. Dennoch werde die Wirtschaftskrise nur „eine Episode bleiben“.
Herr Professor Sinn, der Staatsinterventionismus hat Hochkonjunktur. Da muss einem Neoliberalen wie Ihnen doch angst und bange werden.
Sinn: Ich fordere eine Teilverstaatlichung schon seit längerem. Ganz wohl ist mir dabei indes nicht, denn wir haben ja gesehen, dass gerade die Staatsbanken am meisten gezockt haben. Sie sollten im übrigen mit Ihren Bezeichnungen vorsichtig sein. Im Gegensatz zum Paleoliberalismus, also dem Alt-Liberalismus, liegt das Besondere des Neoliberalismus von Ludwig Erhard und Walter Eucken gerade darin, dass der Staat eine wichtige Rolle bei der Regulierung der Wirtschaft einnimmt.
Sinn: Ja. Ich habe 2003 ein Buch über den Laschheitswettbewerb geschrieben.
Sinn: Bei der Regulierung der Banken haben sich die Staaten gegenseitig unterboten, um das Bankengeschäft ins eigene Land zu ziehen. Das ist der Grund für die Krise.
Sinn: Oh ja, mehrfach. Die Stimmung ist heute besser als die Lage. Die Binnenkonjunktur läuft noch ganz gut, weil die Verbraucher nach wie vor Geld ausgeben. Aus dem Ausland kommt aber ein dickes Gewitter - so schlimm, wie wir es zuvor noch nie aufgezeichnet haben.
Sinn: Nein, eher folgt die Stimmung der Lage.
Sinn: Es ist ein Wechselspiel. Im Moment ist die Lage wesentlich düsterer.
Sinn: Zuviel der Ehre. Der Ifo-Index spiegelt wider, was die 7000 von uns befragten Unternehmen sagen. Jetzt können Sie natürlich fragen, ob es nicht besser wäre, wenn Medien und Forschungsinstitute den Mund halten.
Sinn: Den Mund zu halten entspricht nicht unserem Auftrag, weder Ihrem noch meinem. Wir sind der Wahrheit verpflichtet.
Sinn: Ich bin niemandem verpflichtet, einem "Ismus" schon gar nicht, und für mich sind Infrastruktur-Ausgaben das Mittel der ersten Wahl. Straßen, Brücken, Schulen: Wenn man die jetzt erneuert, dann schafft man Beschäftigung in der Bauindustrie, und die Steuerzahler, die die Zeche werden zahlen müssen, haben langfristig auch noch etwas davon. Steuersenkungen zum Ausgleich der kalten Progression brauchen wir indes zusätzlich.
Sinn: Das ist eine eigenartige Feststellung, die, mit Verlaub, von Ihrer Unkenntnis zeugt. Ich gehöre zu den wenigen, die die keynesianische Theorie seit dreißig Jahren unterrichten. Ich habe allerdings kein Verständnis für ideologische Keynesianer, die im Aufschwung vergessen, dass der Staat die im Abschwung gemachten Schulden wieder zurückzahlen muss. Diejenigen, die Sie als Keynesianer bezeichnen, haben sich auch in den Boom-Jahren 2006 und 2007 dafür ausgesprochen, dass sich der Staat verschuldet und dass die Zinsen gesenkt werden. Heute haben wir eine Rezession und keinen Boom. Seit 1929 hat es keine Situation gegeben, in der keynesianische Politik so zielgenau passte wie jetzt. Aber Vorsicht: Diese Politik wirkt wie starker Kaffee. Er tut kurzfristig gut, ist aber ungesund, wenn man zuviel davon trinkt.
Sinn: Wenn aus der akuten eine chronische Krise wird, gibt es nur noch die Möglichkeit, auf langfristige Strukturreformen zu setzen und abzuwarten.
Sinn: Gekauft werden größtenteils billige Importautos. Ford und Opel mögen ein bisschen profitieren, aber die deutschen Premiumhersteller Daimler und BMW haben so gut wie nichts von der Abwrackprämie. Kern meiner Kritik ist indes, dass der Staat die Vernichtung ökonomischer Werte bezahlt. Das halte ich für absurd. Auch ökologisch bringt die Abwrackprämie nichts. Bei der Herstellung eines Golfs wird so viel Kohlendioxid produziert, dass das alte Auto zwei Drittel mehr Benzin verbrauch haben müsste als das neue, damit sich Vernichtung und Ersatzproduktion für die Umwelt lohnen.
Sinn: Ja, natürlich. Es waren im amerikanischen Bankensystem Mechanismen am Werk, die ich erst nach und nach durchschaue.
Sinn: Ja, man muss es sogar. Deswegen ist man Forscher. Ein Forscher lebt davon, dass Dinge nicht bekannt sind und erst erforscht werden müssen.
Sinn: Es wird eine Episode bleiben. Die Geschichte wird sich nicht wiederholen: Es wird nicht so schlimm kommen wie von 1928 bis 1932, weil Wissenschaft und Politik gelernt haben. Der Bankenrettungsplan und das Konjunkturprogramm werden wirken.