DIW-Chef: Großbritannien könnte erster Dominostein sein

Berlin (dpa) - Ein Austritt Großbritanniens aus der EU birgt dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung zufolge große Risiken für das Land und den Euro. „Großbritannien könnte der erste Dominostein sein“, sagte Institutschef Marcel Fratzscher der Deutschen Presse-Agentur.

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Ähnliche Referenden in Euro-Ländern wie Italien und Frankreich würden aus seiner Sicht eine noch gefährlichere Unsicherheit bringen als ein Brexit.

Schon bei einem Austritt Großbritanniens drohten steigende Kreditzinsen, die Investitionen bremsten. „Dazu kämen Turbulenzen auf den Finanzmärkten, die extrem volatil werden würden.“ Das Pfund werde wie wahrscheinlich auch der Euro an Wert verlieren, Unsicherheit entstehen.

„Dann hat man wieder einen Mechanismus, der letztlich Europa und auch Deutschland wieder in die Rezession führen kann, so wie in der globalen Finanzkrise 2008 und 2009“, sagte Fratzscher. „Wir würden also auch in Deutschland dafür einen sehr hohen Preis zahlen.“

Großbritannien dürfe nicht mit wirtschaftlichen Vorteilen durch den Austritt rechnen, betonte der Wirtschaftsforscher. „Es würde weniger Kapital nach Großbritannien fließen, Unternehmen würden sich eher woanders hin orientieren. Investitionen, Innovationen, Produktivität würden zurückgehen und damit langfristig auch Jobs. Wachstum und Wohlstand wären kleiner.“

Fratzscher verwies auf Studien, nach denen die britische Wirtschaft in den nächsten 15 Jahren um drei bis vier Prozent schrumpfen werde. „Das ist viel, je Einwohner wären das 700 bis 800 Euro Wohlstandsverlust.“

„Meine größte Sorge gilt letztlich der Nachhaltigkeit des Euro“, verwies Fratzscher auf mögliche Dominoeffekte. „Andere Länder könnten fragen: Wollen wir eigentlich auch noch in der EU bleiben? Schaut mal her, die Briten gehen raus. Sie kriegen sogar einen ganz guten Deal. Das wollen wir auch machen.“

Ein Referendum in Italien oder in Frankreich wäre auch ein Referendum über den Euro, betonte Fratzscher. Weitere Unsicherheit wäre die Folge. „Die wirtschaftlichen Kosten eines Euroaustritts eines Landes wären für ganz Europa enorm.“

Der DIW-Chef mahnte Reformen in der EU an, darunter die Vollendung der Bankenunion, eine Fiskalunion mit einem europäischen Finanzminister und eine stärkere politische Legitimierung der Gemeinschaft, etwa durch eine Direktwahl der Kommission und eine Stärkung des europäischen Parlaments.