Ein Parkplatz für Mitarbeiter

In der Krise reicht Kurzarbeit nicht mehr aus. Transfergesellschaften sollen Entlassungen vermeiden.

Düsseldorf. Der Mitarbeiter traute seinen Augen kaum. Rein zufällig kam er sonntags an seinem Arbeitsplatz, dem Sindelfinger Werk des Auspuffproduzenten Eberspächer vorbei und musste mitansehen, wie Arbeiter einer externen Firma Schweißroboter in einer Nacht- und Nebelaktion abbauten. Der einzige Kunde, das benachbarte Daimler-Werk, benötigt in Zeiten der Wirtschaftskrise keine Rohre mehr. Dieses Schicksal teilt das Unternehmen derzeit mit vielen tausend Autozulieferern NRW- und bundesweit. Die Geschwindigkeit, mit der die Geschäftsführung die Arbeitsplätze abbaute, ist bemerkenswert. Die Botschaft: Das Werk wird geschlossen. Ohne Ankündigung. Basta. Eberspächer räumte zwar ein, "völlig übereilt vorgegangen" zu sein. Die wirtschaftliche Grundlage für den Betrieb sei aber nicht mehr gegeben.

"Ein Einzelfall, der keinesfalls ein Vorbote ähnlicher Maßnahmen ist", sagt Oliver Burkhard. Als Bezirksleiter der IG Metall NRW habe er von diesem speziellen Fall in Baden-Württemberg zwar gehört. "Aber hier in NRW sehe ich das derzeit nicht."

Die wirtschaftliche Schieflage erfordert vielerorts in der Tat besondere Maßnahmen. Allein im Februar sind der deutschen Industrie im Vergleich zur Vorjahresfrist 38,2 Prozent Auftragseingänge weggebrochen. Bei den bundesweit rund 4900 mittelständischen Stahl- und Metallverarbeitern droht nach Einschätzung des Branchenverbandes WSM bis zum Jahresende der Abbau von 43000 Stamm-Arbeitsplätzen. Große Konzerne wie Thyssen-Krupp oder Daimler haben nicht nur Stellenabbau angekündigt, sie schließen mittlerweile auch Entlassungen nicht mehr aus.

In NRW, wo Automobilzulieferer ein wichtiges Standbein der Wirtschaft bildeten, soll den Arbeitnehmern eine unliebsame Überraschung dieser Art aber erspart bleiben. "Wir müssen hier alle mit kühlem Kopf und klarem Verstand Lösungen finden, damit kein Arbeitsplatz verloren geht", sagt Oliver Burkhard. Und um dieser Ankündigung auch Taten folgen zu lassen, haben sich Gewerkschaft und Arbeitgeberverbände in NRW zu einem Konsens zusammengefunden.

Eine der aus Sicht beider Seiten viel versprechendsten Maßnahmen, um exorbitanten Stellenabbau in den nächten Wochen und Monaten zu vermeiden, sei die Bildung so genannter Transfergesellschaften. Bei diesem arbeitsmarktpolitischen Modell werden Mitarbeiter aus dem Unternehmen ausgelagert. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) übernimmt in dieser Zeit maximal 67 Prozent des Nettolohns sowie die Sozialbeiträge der Arbeitnehmer. "Diese Gesellschaften können als ein Parkplatz bis zur Wiedereingliederung in den Betrieb verstanden werden. Und die Betroffenen können und sollen sich Weiterqualifizieren", sagt Luitwin Mahlmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Metall- und Elektroindustrie NRW. "Es wäre nicht gut für die Unternehmen, ihre qualifizierten Mitarbeiter zu verlieren."

Eine andere Variante, die Verlängerung der Kurzarbeiterregelung von derzeit 18 auf 24 Monate wie von der Bundesregierung erwogen, hält der Arbeitgebervertreter kaum für die richtige Maßnahme. "24 Monate Kurzarbeit sind für die Unternehmen finanziell fast nicht darstellbar", sagt Mahlmann. Zwar hätten sich die Unternehmen in den vergangenen guten Jahren ein Eigenkapitalpolster verschafft, dies würde nun aber nach und nach aufgebraucht.

So bleiben die Transfergesellschaften für Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter ein Silberstreif am Horizont und eine Möglichkeit, erst einmal großflächigen Stellenabbau zu verhindern. Voraussetzung dafür ist: Der Gesetzgeber müsste sich zu einer Vorschriftenänderung durchringen. Bisherige Mitarbeiter einer Transfergesellschaft, die eine Weiterqualifizierung mithilfe der Finanzierung der Bundesagentur für Arbeit wahrgenommen hatten, durften nicht zurück in das Unternehmen. "Würde das aufgebrochen, wäre das sicher eine bessere Form der Kurzarbeit", sagt Mahlmann, und fügt hinzu: "Man wäre wohl blind optimistisch, wenn man glaubte, dass diese Wirtschaftskrise ganz ohne Stellenabbau vorübergeht."

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht für das Jahr 2009 von einem Abbau von rund 200 000 Steleln im Verarbeitenden Gewerbe aus. "Niemand kann voraussehen, wie lange die Krise andauert. Aber jeder aus Politik und Wirtschaft muss seinen Beitrag leisten, damit alle im Aufschwung dabei sind", so Arbeitnehmervertreter Burkhard.