Einzelhandel: Das Land will Einkaufszentren auf der grünen Wiese stoppen
NRW holt die Geschäfte zurück in die Städte.
<strong>Düsseldorf. Der nordrhein-westfälische Einzelhandel steht vor einer Zeitenwende: Die Ära der Shopping-Malls auf der grünen Wiese soll nach dem Willen der Landesregierung zu Ende gehen. Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CSU) will per Gesetz vorschreiben, dass neue Handelsbetriebe künftig nur noch in Innenstädten und Wohnvierteln eine Genehmigung erhalten, sofern sie Waren des alltäglichen Bedarfs anbieten. "Wer eine Verödung der Citys vermeiden will, muss auch die großen Läden dort ansiedeln", sagt Thoben. Dies gebiete die Fairness gegenüber den mittelständischen Unternehmen in den Stadtzentren. Die seien "in Folge hoher Grundstückspreise und Mieten einem ruinösen Wettbewerb durch den großflächigen Einzelhandel auf der grünen Wiese ausgesetzt".
Auch vor dem Hintergrund einer alternden Gesellschaft will die Landesregierung eine "Stadt der kurzen Wege" schaffen. Das Gesetz, das nach Ansicht Thobens "für eine neue Wohn- und Lebenskultur" sorgen wird, soll im Sommer in Kraft treten.
Nach Angaben des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) stieg der Flächenverbrauch durch die Geschäfte auf der grünen Wiese seit 1970 rapide an - von 39 Millionen Quadratmetern auf 115 Millionen. Zudem würden jährlich hunderttausende Tonnen Klimagift durch die langen Anfahrtwege per Auto in die Atmosphäre geblasen.
Stadt Einkaufszentren, die folgende Produkte anbieten, dürfen künftig nur noch in Städten eröffnen: Lebensmittel, Getränke, Drogerie- und Haushaltswaren, Tiernahrung und Fahrräder. Ferner: Bekleidung, Bücher, Kunst und Antiquitäten, Unterhaltungselektronik, Computer und Foto, Haus- und Heimtextilien, Uhren und Schmuck, Sportartikel.
Grüne Wiese Zugelassen werden Einkaufszentren im Grünen, wenn ihre Produkte für das alltägliche Leben nicht zwingend sind: Möbelmärkte, Gartenzentren und Baumärkte. Solche Betriebe dürfen maximal zehn Prozent der Verkaufsfläche für Artikel einplanen, die sonst den Städten vorbehalten sind.
Die Landesregierung hat ein Zeichen gegen den Wildwuchs im Niemandsland gesetzt. Endlich regt sich Widerstand gegen den stadtplanerischen Wahnsinn, systematisch Kaufkraft aus den Zentren an die Peripherie zu verlagern.
Weil Geschäfte, Wohnungen und Arbeitsplätze räumlich auseinander drifteten, wuchs der Straßenverkehr ins kaum Vorstellbare. Die Städte bluteten aus - der traditionelle Einzelhandel verschwand aus den Vierteln, Familien flüchteten aus der verkehrsumtosten Tristesse.
Aber Totgeglaubte leben länger: Europas Städte stehen im 21. Jahrhundert vor einer Renaissance, weil eine alternde Bevölkerung auf kurze Wege setzt. Weil steigende Energiepreise das Pendeln zum Büro oder Supermarkt unwirtschaftlich machen. Weil der Klimawandel dazu zwingt, den ökologischen Irrsinn der Zersiedelung zu stoppen. Und weil junge Familien den urbanen Lebensstil wiederentdecken.
Dabei ist abzusehen, dass solche künstlichen Innenstadt-Imitate die gewachsenen Strukturen der Citys erneut schwächen, weil sie die Einzelhandelsfläche bei sinkender Kaufkraft der Menschen drastisch vergrößern. Es ist offenbar nichts schwieriger, als aus Fehlern tatsächlich zu lernen.