Widerstand gegen schärfere CO2-Grenzwerte Entlastung wegen Coronakrise: Autobauer wollen Klimapläne stoppen
Düsseldorf · Wegen der Pandemie ist der Absatz eingebrochen. Die Konzerne erwarten Hilfe von der Politik durch weniger strenge CO2-Vorgaben. Kurios: Plug-in-Hybride legen kräftig zu, gelten aber als Mogelpackung.
Weil der Autoabsatz wegen der Corona-Pandemie weltweit auf Talfahrt ist, rufen die Unternehmen nach Entlastung. Was insbesondere den deutschen Herstellern gegen den Strich geht, sind die strengen Vorgaben der EU zum Klimaschutz. Ziel der Branche ist es, die Pläne für eine weitere Verschärfung der CO2-Grenzwerte im Zuge der Coronakrise zu kippen. Konzerne und Gewerkschaften ziehen dabei an einem Strang. Sie erwarten von der Bundesregierung, dass Berlin zum Schutz von Arbeitsplätzen gegen Brüssel Position bezieht. „Das ist jetzt nicht die Zeit, über weitere Verschärfungen bei der CO2-Regulierung nachzudenken“, argumentiert Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der deutschen Autoindustrie (VDA).
Wie weit die Branche noch von den politischen Vorgaben entfernt agiert, zeigen die Pkw-Neuzulassungen auf dem deutschen Markt im März dieses Jahres. Für jeden Hersteller schreibt die EU schon jetzt einen Flottenverbrauch von 95 Gramm CO2 je Kilometer vor. Tatsächlich lag der CO2-Ausstoß im vergangenen Monat bei den Pkw-Neuwagen im Schnitt bei 149 Gramm je Kilometer. Und die nächsten Schritte zum Schutz des Klimas sind beschlossen: bis 2025 muss der CO2-Wert im Flottendurchschnitt um weitere 15 Prozent sinken, bis 2030 um 37,5 Prozent. Bei Nicht-Einhaltung drohen hohe Strafzahlungen.
Dass Brüssel von dieser Klimapolitik abrückt, sollte niemand erwarten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat den Green Deal und die Digitalisierung zu ihren Kernprojekten erklärt. Durch Corona fühlt sie sich in dieser Haltung eher bestärkt. Abstriche beim Klimaschutz wären aus ihrer Sicht kontraproduktiv, wenn es nach der Pandemie darum geht, nachhaltiges wirtschaftliches Wachstum zu erreichen.
Pkw-Neuzulassungen im
März um 37,7 Prozent gesunken
Die Folgen der Krise zeigen die Pkw-Neuzulassungen im März überdeutlich: Nur noch 215 000 Autos wurden erstmals zugelassen, 37,7 Prozent weniger als im gleichen Monat des Vorjahres. Im ersten Quartal dieses Jahres ergibt sich ein Minus von 20,3 Prozent. Der größte deutsche Industriebereich mit rund 800 000 Beschäftigten leidet massiv. Die meisten Werke stehen still, Autohäuser sind geschlossen. Wann das Geschäft wieder Fahrt aufnimmt, steht in den Sternen.
Neben den vielen Minuszahlen gibt es allerdings auch Pluswerte. Zum Beispiel bei den alternativen Antrieben. Unter den Pkw-Neuzulassungen im März haben 28 735 einen Hybrid-Antrieb (Verbrennungs- und Elektromotor), 62 Prozent mehr als zwölf Monate zuvor. Besonders stark konnten mit Plus 208 Prozent auf 9425 Autos die Plug-in-Hybride zulegen, deren Elektromotor an der Steckdose geladen werden kann. Außerdem kamen 10 329 Batterie-Elektroautos erstmals auf die Straße (plus 56,1 Prozent). Obwohl sie stetig an Bedeutung verlieren, dominierten im März immer noch Benziner (50 Prozent Marktanteil) und Dieselautos (31,6 Prozent).
Ungewöhnlich hohe Zuwachsraten zeigen sich seit Monaten bei den Plug-in-Hybriden. Auf dem Papier locken sie mit sehr guten Verbrauchs- und Abgaswerten. Angeblich geben sie sich mit zwei Litern auf 100 Kilometern zufrieden. „Das klappt nur, wenn man alle zwanzig oder 30 Kilometer an die Steckdose fährt und damit den Einsatz des Benzinmotors vermeidet“, erläutert Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte beim BUND. „Aber die Realität sieht anders aus.“ Tatsächlich würden die Fahrzeuge überwiegend oder ausschließlich mit dem Benzinmotor gefahren. Wegen des hohen Gewichts seien die Werte deshalb noch schlechter als bei Benzin- oder Dieselautos.
Autoexperte Stefan Bratzel stimmt dem zu. Er hält zwei Liter Sprit pro hundert Kilometer für einen Fantasiewert. „Plug-in-Hybride verbrauchen in Wahrheit das Zwei- oder Dreifache vom dem, was auf dem Papier steht.“
Insbesondere als Firmenwagen kommen Plug-in-Hybride gut an. Sie sind steuerbegünstigt und bei der Anschaffung gibt es 4500 Euro Prämie. Ob die Autos regelmäßig an der Steckdose hängen, kontrolliert niemand. Viele Firmen versorgen ihre Mitarbeiter mit Tankkarten. Sprit an der Tankstelle ist für sie dann kostenlos, der Strom fürs Aufladen in der heimischen Garage muss dagegen privat bezahlt werden. Nicht zuletzt wegen solcher Fehlanreize fahren Plug-in-Hybride vorwiegend mit dem Verbrennungsmotor und gelten damit als ökologische Mogelpackung. Nicht nur Bratzel hält die steuerliche Förderung deshalb für falsch. Großbritannien und die Niederlande haben den Autos schon den Stecker gezogen und die Förderung der Plug-in-Hybride beendet.