Erdbeben in Japan bedroht Europas Versicherungsbranche
München/Hannover (dpa) - Für die weltgrößten Rückversicherer kommt es knüppeldick. Munich Re, Swiss RE und Hannover Rück verdauen gerade noch die Auswirkungen des Erdbebens in Neuseeland und der Überschwemmungen in Australien - da hat ein Erdstoß der Stärke 8,9 Japan erschüttert und einen Tsunami ausgelöst.
Die Folgen sind noch nicht absehbar. Die deutschen Versicherer aus Hannover und München haben Kunden in der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt gegen Naturkatastrophen versichert, sondieren aber noch die Lage. Auch die Schweizer können die Schäden noch nicht einschätzen.
Die Aktien von Rückversicherern gerieten an der Börse kräftig unter Druck. Die Titel von Munich Re und Swiss Re büßten bis zum Freitagnachmittag mehr als 5 Prozent ein. Die Papiere der Hannover Rück kamen nur wenig glimpflicher davon. Auch die europäischen Indizes und der deutsche Aktienmarkt notierten deutlich im Minus, nachdem in Tokio die Kurse wegbrachen.
Franz Waldenberger vom Japan Zentrum der Universität München sagte der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX, „auch wenn das aktuelle Beben stärker war als in Kobe 1995, entscheidend sind die Auswirkungen“. Die aktuell betroffene Präfektur Miyagi sei weniger dicht besiedelt als die Präfektur Hyogo (Kobe) und wirtschaftlich halb so stark. Das Kobe Erdbeben 1995 habe einen geschätzten volkswirtschaftlichen Schaden von 10 Billionen Yen (rund 110 Milliarden Euro) verursacht, erklärte Waldenberger. Das habe damals etwa 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entsprochen.
Für Schaden-Schätzungen sei es noch zu früh, sagten Sprecher der Rückversicherer nahezu gleichlautend. Inwieweit sie für die Schäden des jüngsten Erdbebens geradestehen müssen, bleibt damit offen. Die Hannover Rück hat ihre Versicherungsrisiken laut einer Sprecherin teilweise an andere Rückversicherer und in Form einer Katastrophenanleihe an den Kapitalmarkt abgeben. Dies werde die Belastung des Unternehmens reduzieren. Die konkrete Belastung sei noch nicht absehbar, zumal das Beben durch den folgenden Tsunami auch in anderen Teilen der Welt noch Zerstörung anrichten könne.
Bei etwa 80 Prozent der versicherten Schäden handle es sich voraussichtlich um Sachschäden. Die private Unfallversicherung sei weniger betroffen. Japan hat eine hohe Versicherungsdichte. Weil dort häufig die Erde bebt, haben sich die Japaner gegen solche Schäden umfangreich abgesichert. Eine Sprecherin von Europas größtem Versicherungskonzern Allianz sagte, derzeit kümmere man sich um die Kunden und die eigenen Mitarbeiter vor Ort.
Sibylle Steimen, Seismologin der Allianz-Rückversicherung, dämpfte nur ein wenig den Schrecken. „Hätte es ein vergleichbares Beben in einem weniger entwickelten Land gegeben, dann wären die Schäden vermutlich schlimmer“, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. In Japan gebe es hohe Standards bei der Katastrophenbekämpfung. „Der Tsunami ist eine ganz andere Sache, der hat Schäden angerichtet.“ Japan besitze aber einen funktionierenden Tsunami-Warndienst, die höchste Warnstufe sei sofort ausgelöst worden.
Auch durch die reine Erschütterung seien Schäden entstanden. Fabriken sind ausgebrannt, Wohnhäuser zerstört. Allerdings: „Die Baustandards in Japan sind sehr hoch“, sagte Steimen. Die Normen seien so ausgelegt, dass die Häuser im Falle eines Bebens stehenbleiben. Vor allem Hochhäuser bauten Energie ab, indem sie schwingen und elastisch reagieren. „Die großen Gebäude sind für sehr starke Erdbeben ausgelegt.“
Bei großen Naturkatastrophen dauert es oft Wochen, bis die Versicherungsunternehmen ihre eigene Belastung einschätzen können. Bei dem schweren Erdbeben in Chile Anfang 2010 waren es vor allem die Schäden der Industrie, die die Katastrophe für die Versicherer teuer machte. Die Munich Re musste am Ende eine Milliarde US-Dollar auf den Tisch legen. Erstversicherer geben Teile der von ihnen versicherten Risiken an Rückversicherer ab, damit die Schäden im Falle einer Katastrophe kein einzelnes Unternehmen in die Tiefe reißen. Großkunden haben ihre Verträge teilweise direkt bei Rückversicherern abgeschlossen.
Die Munich Re hat eigentlich schon genug mit den anderen beiden Naturkatastrophen zu Beginn des Jahres zu schaffen. Die Überflutungen und ein Wirbelsturm in Australien sowie das Erdbeben in Neuseeland schlugen nach ersten Schätzungen mit rund 1,5 Milliarden australischen Dollar (rund 1,1 Milliarden Euro) zu Buche. Das sind bereits gut zwei Drittel der Summe, die der weltgrößte Rückversicherer im vergangenen Jahr für Naturkatastrophen aufwenden musste. Erst am Donnerstag hatte die Munich Re gewarnt: Das Gewinnziel von 2,4 Milliarden Euro sei 2011 nur erreichbar wenn im weiteren Jahresverlauf die Großschäden unterhalb der Erwartungen blieben.
Die Hannover Rück hat ihre Belastung aus dem Beben in Neuseeland hingegen begrenzt. Selbst wenn die gesamten Schäden höher ausfallen als angenommen, muss der weltweit drittgrößte Rückversicherer nach eigenen Angaben höchstens für rund 150 Millionen Euro geradestehen. Die Flutkatastrophe in der australischen Millionenstadt Brisbane könnte sie bis zu 100 Millionen Euro kosten.