EU-Kommissar warnt vor „Endspiel“ in Athen

Madrid/Athen/Brüssel (dpa) - EU-Kommission und Zentralbank EZB arbeiten nach Worten von EU-Handelskommissar Karel De Gucht an Notfallplänen für den Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone.

Erstmals hat damit ein Mitglied der EU-Kommission öffentlich eingeräumt, dass es Szenarien für den Fall eines griechischen Euro-Austritts gibt. Wegen der schwierigen Regierungsbildung und der Neuwahlen in Athen wird derzeit an den Finanzmärkten über ein Ausscheiden des pleitebedrohten Landes aus dem gemeinsamen Währungsraum heftig spekuliert. Führende Ratingagenturen straften erneut Griechenland und Spaniens Banken ab, die Börsen setzten am Freitag ihre Berg- und Talfahrt fort.

De Gucht warnte in einem Interview der belgischen Zeitung „De Standaard“ vom Freitag: „Das Endspiel hat begonnen, und ich weiß nicht, wie es ausgehen wird.“ Ein Sprecher der EU-Kommission verneinte anschließend prompt, dass an Ausstiegsszenarien gearbeitet werde.

Die Gefahr der Ansteckung für kriselnde Euroländer wie Spanien und Italien schätzte De Gucht als verkraftbar ein: „Vor eineinhalb Jahren mag die Gefahr eines Domino-Effekts bestanden haben.“ Er fügte hinzu: „Aber nun arbeiten Abteilungen in der Europäischen Zentralbank und in der Europäischen Kommission an Notfall-Szenarien für den Fall, dass es Griechenland nicht schafft.“ Einzelheiten wollte er nicht nennen.

Ein Sprecher der EU-Kommission wies diese Aussagen in Brüssel zurück: „Die EU-Kommission bestreitet, dass sie an einem Austritts-Szenario für Griechenland arbeitet. Die EU-Kommission will, dass Griechenland im Euro-Raum bleibt.“ Auch EU-Währungskommissar Olli Rehn widersprach: „Wir arbeiten nicht am Szenario eines griechischen Austritts.“ Es werde weiter auf der Basis eines Verbleibs Griechenland in der Eurozone gearbeitet. Rehn wies De Gucht deutlich in die Schranken: „Karel De Gucht ist für Handel zuständig. Ich bin für Finanz- und Wirtschaftsangelegenheiten und die Beziehungen zur EZB zuständig.“

Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, hatte erst zur Wochenmitte betont, es sei die „starke Präferenz“ der EZB, dass Griechenland Mitglied der Eurozone bleibe. Die Entscheidung über die Zukunft Griechenlands in der Eurozone werde jedoch nicht von der EZB getroffen.

De Gucht führte in dem Interview die Folgen eines Euro-Ausstiegs für das Land vor Augen: „Im Fall eines solchen Austritts wäre das Chaos in Griechenland enorm.“ Der Staat werde weder Beamte bezahlen noch Renten anweisen können, die Inflation werde in die Höhe schnellen. Aus Athen berichtete der Verband der Bankangestellten, dass nach dem Ansturm auf griechische Banken zum Wochenbeginn der Betrieb wieder normal laufe.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte am Freitag dem französischen Rundfunksender Europe 1, Griechenland müsse im Euro-Verbund bleiben, doch müsse das Land selbst auch seinen Teil für eine Gesundung der Wirtschaft beitragen. Das Verhalten der politischen Elite in dem Land löse bei ihm allerdings Skepsis aus. Es gehe jetzt nicht um falsche Versprechen, sondern darum, einer verunsicherten Bevölkerung die Realität zu erklären.

Am Freitag reagierten die Anleger verunsichert auf die jüngsten Nachrichten. Der Dax gab zum Börsenschluss um 0,60 Prozent auf rund 6271 Punkte nach und fiel auf den tiefsten Stand seit Mitte Januar.

Mit Blick auf einen möglichen Austritt Griechenlands aus der Eurozone hatte die Ratingagentur Fitch am Vorabend die Bewertung der Bonität Griechenlands wieder gesenkt. Die Ratingagentur stufte die Kreditwürdigkeit auf die niedrigste Stufe vor dem Zahlungsausfall („Default“) herab.

Zugleich senkte Konkurrent Moody's nach seinem Rundumschlag gegen italienische Banken auch das Bonitätsurteil für 16 spanische Banken, darunter die Großbanken Banco Santander und BBVA, um eine bis drei Stufen. Der Finanzsektor der viertgrößten Euro-Wirtschaft leidet unter den Folgen der geplatzten Immobilienblase mit einer Vielzahl notleidender Hypothekenkredite. Die Abwertungen spiegele die verschlechterten Bedingungen der Banken wider, in einigen Fällen aber auch die Einschätzung der Möglichkeiten des spanischen Staates, die Banken zu unterstützen, hieß es. Der Euro fiel am Freitag zeitweise bis auf 1,2642 US-Dollar und kostete damit so wenig wie zuletzt Mitte Januar. Allein seit Anfang Mai hat die Gemeinschaftswährung sechs Cent oder fast fünf Prozent an Wert verloren.