EU überprüft Ökostrom-Rabatte und EEG
Brüssel/Berlin (dpa) - Der deutschen Industrie drohen milliardenschwere Rückzahlungen wegen Rabatten bei der Förderung erneuerbarer Energien.
Die EU-Kommission wird am kommenden Mittwoch über die deutschen Ökoenergie-Hilfen beraten und voraussichtlich ein Verfahren gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) einleiten. CSU-Chef Horst Seehofer und IG-Metall-Chef Detlef Wetzel reagierten empört. Hunderttausende Arbeitsplätze seien gefährdet, warnte Wetzel.
Das Verfahren richtet sich vor allem gegen die Industrie-Privilegien bei der Ökostromförderung, also gegen die Vergünstigungen, die das EEG Großabnehmern von Strom einräumt. Die EU-Behörde hält solche Rabatte für wettbewerbswidrig, heißt es in einem Schreiben von Almunia an den amtierenden Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP). In dem Brief kündigt Almunia eine Überprüfung an, er liegt der Nachrichtenagentur dpa vor. Zuvor hatten auch „Süddeutsche Zeitung“ und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über das Schreiben berichtet.
„Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass das EEG 2012 staatliche Beihilfe zu Gunsten von Erzeugern erneuerbarer Elektrizität (...) enthält und dass die verminderte EEG-Umlagegebühr Hilfe für energieintensive Nutzer enthält“, schreibt Almunia in einer vorläufigen Bewertung.
Damit nimmt die EU-Kommission auch das EEG insgesamt ins Visier. Es legt fest, dass Betreiber von Windparks, Solar- und Biogasanlagen auf 20 Jahre garantiert feste Vergütungen bekommen, die die Verbraucher, ebenso wie die Kosten durch die Industrierabatte per Umlage über den Strompreis zahlen. 2014 werden die Umlagekosten auf etwa 23,5 Milliarden Euro steigen.
Mit scharfer Kritik an Brüssel reagierte IG Metall-Chef Detlef Wetzel auf das erwartete Verfahren der EU-Kommission gegen das EEG. „Die künftige Bundesregierung muss als allererstes den wahnsinnigen Vorstoß aus Brüssel stoppen, die Befreiung der energieintensiven Industrie von der Ökostromumlage zu kippen“, sagte Wetzel der „Bild am Sonntag“. Die Sonderregelung müsse beibehalten werden. Andernfalls würden viele Hunderttausende Arbeitsplätze zerstört. „Es wäre das Ende der Stahl-, Aluminium- und chemischen Industrie in Deutschland.“ Diesen Unfug müsse der neue Wirtschaftsminister stoppen.
Auch Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer zeigte keinerlei Verständnis: „Das ist nach Meinung der bayerischen Staatsregierung absurd. Die Kommission hätte vielmehr die Pflicht, Arbeitsplätze zu sichern statt sie zu zerstören“, sagte er am Samstag in St. Quirin am Tegernsee.
An der Höhe der Einspeisevergütung haben die Brüsseler Wettbewerbshüter wenig auszusetzen. Hintergrund für die EU-Generalattacke auf das EEG sind vielmehr die umfänglichen Ausnahmen von der Einspeisevergütung für energieintensive und andere Unternehmen.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer warf der Regierung Untätigkeit vor: „Weder die alte schwarz-gelbe Bundesregierung noch die Große Koalition haben bisher einen tragfähigen Vorschlag zur Reduzierung der Ausnahmen gemacht.“ Schwarz-Gelb habe die Ausnahmen „gegen jede Vernunft“ stetig ausgeweitet. „Es ist schlichtweg Niemanden mehr zu erklären, weshalb etwa Schlachthöfe, Tierfuttermittelhersteller oder der Braunkohletagebau von den Ausnahmen profitieren.“
Sollte die EU-Kommission in dem Verfahren zu dem Schluss kommen, dass die gewährten Rabatte unzulässig waren, müssten die Unternehmen diese zurückzahlen. Deutschlands Industrie fürchtet milliardenschwere Nachzahlungen. In jedem Fall müssten die Konzerne Rückstellungen bilden. Schon seit Monaten wird das Verfahren erwartet, Brüssel hatte den Termin aber immer wieder verschoben. Deutschland habe nun einen Monat Zeit, um ergänzende Informationen zu liefern, die der Kommission bei ihrer Prüfung helfen könnten, schreibt Wettbewerbskommissar Almunia.