Euro-Retter Deutschland unter Druck
ILondon/Berlin (dpa) - Drohen die Milliarden für die Rettung der Euro-Krisenländer Deutschland zu überfordern? Die Ratingagentur Moody's sieht diese Gefahr und warnt: Europas größte Volkswirtschaft könnte ihr Spitzenrating verlieren.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) reagierte demonstrativ gelassen.
„Die Bundesregierung nimmt das zur Kenntnis. Die Einschätzung betrifft ein Land, von dem man sich Hilfe erhofft“, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter am Dienstag. „Die Bundeskanzlerin hat mehrfach betont, dass die Kraft Deutschlands nicht unbegrenzt ist.“
Auch die Top-Bonität der Niederlande und Luxemburgs sind gefährdet. Moody's hatte am späten Montagabend den Ausblick für die Benotung der Kreditwürdigkeit dieser drei Länder von stabil auf negativ gesenkt. Dies kann der erste Schritt auf dem Weg zu einer Abstufung sein.
Zugleich hielt die Krise in Griechenland die Euroländer weiter in Atem. Die Troika-Kontrolleure von Internationalem Währungsfonds (IWF), Europäischer Zentralbank (EZB) und EU-Kommission trafen in Athen zu ihren Prüfungen der Sparfortschritte ein. Vom Urteil der Troika hängt es ab, ob weitere Milliarden fließen oder das Land bankrott geht. Athen kündigte die Abschaffung oder Zusammenlegung überzähliger Behörden an. Damit sollen 40 Millionen Euro eingespart werden.
Ministerpräsident Antonis Samaras wehrte sich heftig gegen Äußerungen einiger europäischer Politiker, wonach ein Euro-Austritt seines Landes verkraftet werden könne. „Wir tun, was wir können, damit das Land wieder auf eigenen Beinen stehen kann, und sie tun alles, was in ihrer Macht steht, damit wir scheitern“, sagte Samaras.
Diese Kritik zielte vor allem auf Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), der gesagt hatte, ein Austritt Griechenlands aus dem Euroland sei kein Schreckensszenario mehr. Auch in Deutschland geriet Rösler deswegen unter Beschuss.
Moody's nannte als Grund für die Überprüfung der drei Ratings die steigende Unsicherheit über den Ausgang der Schuldenkrise. Es sei immer wahrscheinlicher, dass Griechenland die Eurozone verlassen müsse. Selbst wenn dies nicht passiere, sei davon auszugehen, dass Länder wie Spanien und Italien weitere Hilfen bräuchten. Deutschland und die anderen wirtschaftlich starken Euro-Länder haben den schwächeren Partnern bereits mit Milliarden unter die Arme gegriffen.
Im Falle Deutschland verwies Moody's auch auf die „Verwundbarkeit des Bankensystems“. Deutsche Institute seien stark in Problemstaaten engagiert und könnten Rückschläge nur schlecht abfedern.
Die Kapitalisierung des Bankensektors habe sich deutlich verbessert, erklärte dagegen das Finanzministerium. „Auch an den internationalen Finanzmärkten ist das Vertrauen in Deutschland hoch; dies spiegelt sich in den niedrigen Refinanzierungskosten deutscher Anleihen wider“. Innerhalb Europas gilt Deutschland als sicherer Hafen, entsprechend niedrig sind die Kreditzinsen.
Moody's habe die kurzfristigen Risiken in den Vordergrund gestellt, „während längerfristige Stabilisierungsaussichten unerwähnt bleiben“, kritisierte das Ministerium noch in der Nacht.
Eine schlechtere Note beim Rating kann zu steigenden Zinsen bei der Schuldenaufnahme führen. Denn Investoren müssen von einer höheren Wahrscheinlichkeit ausgehen, dass sie ihr Geld nicht wiedersehen. Bislang besitzen alle drei Länder die Bestnote von „Aaa“.
Bei Deutschland und den anderen Ländern dürfte ein Verlust des Spitzenratings in erster Linie einen Imageschaden bedeuten. Moody's ist neben Standard & Poor's und Fitch eine der drei großen Ratingagenturen. Investoren reagieren in der Regel erst, wenn zwei der Agenturen ihre Bewertung zurückgenommen haben - und selbst dann müssen die Refinanzierungskosten nicht zwingend steigen. Auch die Ratingagentur Standard & Poor's hatte Deutschlands Topbonität auf den Prüfstand gestellt, die Note letztlich aber nicht angetastet.
Mehrere Euroländer gerieten nach der Drohung von Moody's an den Anleihemärkten unter Druck. Am Dienstag lagen nicht nur die Kurse von Staatsanleihen finanzschwacher Länder wie Spanien und Italien abermals im roten Bereich. Auch bei Bonds von Ländern wie Deutschland und Frankreich machte sich die Moody's-Drohung negativ bemerkbar.
Für Spanien wird die kurzfristige Geldaufnahme immer teurer. Madrid muss immer höhere Zinsen zahlen, um sich Geld an den Finanzmärkten zu leihen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) traf sich am Abend mit dem spanischen Wirtschaftsminister Luis de Guindos in Berlin. In einer gemeinsamen Erklärung stellten beide anschließend fest, das spanische Zinsniveau entspreche weder den wirtschaftlichen Fundamentaldaten des Landes noch seinem Wachstumspotenzial oder der Tragfähigkeit seiner Staatsverschuldung.
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (OECD) forderte die EZB zum Handeln auf. Zur Unterstützung von Spanien sollte die Notenbank ihr Anleihekaufprogramm „entschlossener und mit größerem Volumen“ wieder auflegen, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurria „Bloomberg Television“. Die Renditen müssten stabilisiert werden. Es gebe keinen Grund, warum Italien oder Spanien Renditen von rund 7,5 Prozent bezahlen müssten. „Europa soll alle seine Instrumente nutzen, vor allem aber die EZB, sie hat die Bazooka“, sagte Gurria. Es sei „absolut überflüssig“, dass Spanien ein komplettes Hilfsprogramm in Anspruch nimmt.
Die Börsen reagierten nach den Kursstürzen der vergangenen Tage am Dienstag vergleichsweise gelassen. Der Euro sackte dagegen wieder unter die Marke von 1,21 US-Dollar.