SAP macht sich in der Datenwolke breit
Walldorf (dpa) - Der führende europäische Softwarehersteller SAP drückt beim jungen Geschäft mit Cloud-Diensten aufs Tempo.
Der Anteil am Gesamtumsatz ist zwar noch klein, wächst aber mit riesigen Sprüngen: War die Sparte noch im vorigen Jahr praktisch nicht sichtbar, weisen die Walldorfer nun für das zweite Quartal 52 Millionen Euro Umsatz aus, nach 29 Millionen im ersten Vierteljahr 2012. Das teilte SAP am Dienstag mit. „Wir sind einfach schneller darin, zu bauen, was Kunden brauchen“, sagte Co-Chef Jim Hagemann Snabe dem Fernsehsender Bloomberg TV.
Dienste in der Online-Datenwolke gelten als ein entscheidendes strategisches Zukunftsfeld, auf dem SAP derzeit Milliarden in Zukäufe investiert. Das erklärte Ziel: In der Cloud wollen die Walldorfer mit zwei Milliarden Euro Umsatz bis 2015 „profitabler Marktführer“ sein - das wäre ein Zehntel des für 2015 angestrebten Gesamtumsatzes von 20 Milliarden Euro.
Ende 2011 wurde als erster Baustein auf diesem Weg für 3,4 Milliarden Euro die Übernahme des Spezialisten SuccessFactors gemeldet. Und vor kurzem kündigte SAP mit Ariba eine weitere, 4,3 Milliarden Dollar teure Cloud-Übernahme an. Beide Unternehmen sind im Oracle-Mutterland USA zu Hause. Der Dauerrivale Oracle hatte seinerseits in den vergangenen Monaten mit zwei großen Cloud-Übernahmen (Taleo, RightNow Technologies) zugeschlagen.
SAP weist darauf hin, dass sich die Übernahme von SuccessFactors bereits auszahle: „Durch die starke Verbindung mit SuccessFactors kann SAP ihre Strategie, führender Anbieter im Cloud-Bereich zu werden, schneller umsetzen“, heißt es in der Mitteilung.
SAP belohnte sich unterdessen nach einem Rekordquartal auch unter dem Strich mit einem Gewinnsprung. Der Gewinn nach Steuern kletterte im Dreimonatsabschnitt April bis Juni im Jahresvergleich um 12 Prozent auf 661 Millionen Euro. Damit ging die Softwareschmiede als erster der 30 Dax-Konzerne mit den endgültigen Zahlen für das zweite Quartal 2012 an den Start. Nicht erfüllt wurde die Erwartung mancher Beobachter, die angesichts des starken zweiten Quartals auch noch mit einer Aufstockung der Jahresprognose gerechnet hatten.
Erste Eckdaten hatte SAP bereits vor knapp zwei Wochen vorgelegt: Demnach steigerte der Konzern den Umsatz im zweiten Quartal um 18 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro - den höchsten Wert, der je in diesem Zeitraum erreicht worden sei. Allein das Schlüsselgeschäft mit Software legte um 26 Prozent auf 1,06 Milliarden Euro zu. Zuwächse bei Lizenzen sind bedeutsam, weil sie in der Regel Geschäfte mit Wartung nach sich ziehen. Der starke Wachstumskurs schlägt sich auch in der Beschäftigung nieder. Im zweiten Quartal arbeiteten 60 972 Menschen für den SAP-Konzern, fast 7000 mehr als ein Jahr zuvor.
Trotz ausbleibender Überraschungen und allgemein verhaltener Börsenstimmung wurden SAP-Aktien am Dienstag an der Börse mit Aufschlägen von mehr als vier Prozent bei zeitweise mehr als 51 Euro gehandelt. Oliver Finger, Analyst der DZ Bank, sieht seine Einschätzung bestätigt, wonach SAP in neuen Produktkategorien wie der Cloud stark aufgestellt sei. Und Analyst Steffen Manske von der Essener National-Bank schrieb: „Insgesamt ist SAP nach einem schwächeren ersten Quartal wieder auf den Erfolgskurs zurückgekehrt.“
Derweil zieht sich der Rechtsstreit zwischen SAP und Oracle um einen Datenklau der ehemaligen SAP-Tochter TomorrowNow weiter in die Länge. Ursprünglich war ein Gerichtstermin für den 18. Juni angesetzt worden. Dieser Termin verschiebt sich aber nun um mehr als zwei Monate, wie SAP mitteilte. „Aufgrund von Terminkonflikten seitens des Oracle-Rechtsteams wurde der Gerichtstermin auf den 27. August 2012 verlegt.“
Der Rechtsstreit geht bereits in sein fünftes Jahr, nachdem Oracle die im vergangenen Jahr zugebilligte Schadenersatz-Summe zu niedrig war. Eine Jury hatte dem US-Softwarekonzern 1,3 Milliarden Dollar zugesprochen, die Richterin empfand den Betrag jedoch als „extrem übertrieben“ und stutzte ihn auf 272 Millionen Dollar. Daraufhin hatte sich Oracle entschieden, das Verfahren neu aufzurollen.
Die Verfehlungen, um die es geht, liegen lange zurück. Die Mitarbeiter der 2005 übernommenen und mittlerweile geschlossenen SAP-Tochterfirma TomorrowNow hatten im großem Stil unrechtmäßig Updates bei Oracle heruntergeladen. Die Staatsanwaltschaft von San Francisco kam bei ihren Ermittlungen auf mindestens 6249 Fälle und brummte SAP eine Strafe von 20 Millionen Dollar auf, die die Deutschen auch klaglos zahlten.
SAP hat die Verfehlungen längst eingestanden und sich öffentlich entschuldigt. Die Deutschen sind zudem grundsätzlich bereit, Oracle den Schaden zu ersetzen. Doch scheiden sich die Geister an der Höhe einer gerechten Wiedergutmachung: SAP bietet Millionen, Oracle verlangt jedoch Milliarden.