„Eurocrash“-Musical kommt nach Deutschland
London (dpa) - „Fußball ist ein einfaches Spiel“, hat einmal ein englischer Fußball-Weiser gesagt. „22 Männer jagen 90 Minuten lang dem Ball hinterher und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“
Von Gary Linekers zum Kultspruch gewordener Erkenntnis hat sich sein Landsmann und Musical-Autor David Shirreff sicher nicht leiten lassen. Doch sein satirisches Musical „Eurocrash“ über den Kampf um die Zukunft der Einheitswährung Euro kommt im Prinzip zum selben Ergebnis - und hat ebenfalls Kult-Potenzial.
„Gott sei Dank for the Bundesbank“ singt am Ende des einstündigen Bühnen-Feuerwerks ganz Europa - und „Papa Kohl“ grinst sich einen. An diesem Dienstag kommt das mit Wortwitz und typisch schwarzem, britischem Humor vollgepackte Stück erstmals nach Deutschland. Es wird je drei Mal im Berliner Primetime Theater und im Frankfurter House of Finance gezeigt. „Mal sehen, ob die Deutschen Spaß verstehen“, sagt Autor Shirreff vor der Gastspielreise. Denn, dass er die Rolle Deutschlands von der Entstehung des Euro bis zur aktuellen Dauerkrise einigermaßen kritisch sieht - daraus macht der Autor keinen Hehl.
„Es hat mich traurig gemacht, dass das Projekt Euro nicht besser vorbereitet wurde“, sagt Shirreff zu seiner Motivation, zur Feder zu greifen. Shirreff lebt in Berlin und arbeitet dort als Auslandskorrespondent für das britische Wirtschafs-Magazin „The Economist“. Gemeinsam mit dem in Hamburg lebenden australischen Komponisten Russel Sarre schuf er den Einakter. Dieser lebt von der Gabe des Autors zur genauen Beobachtung. So wird der Zuschauer an vieles aus über 20 Jahren Euro-Geschichte erinnert - Kleinigkeiten, scheinbar, die sich zu einem Puzzle der Lächerlichkeit zusammenfügen.
Regisseur Ross Livingstone machte mit einer jungen Truppe Londoner Schauspieler einen Bühnen-Kracher aus dem 2010 entstandenen Stoff, dessen Aktualität das Team ständig zur Überarbeitung zwingt. Der viel diskutierte Alleingang des britischen Premiers David Cameron beim EU-Gipfel im Dezember („Noch sind wir nicht verloren!“) etwa wurde flugs nachträglich hineingeschrieben. „Must see“ urteilte der „Guardian“, obwohl das Stück bisher nur auf einer kleinen Stadtteil-Bühne im Südwesten der Themse-Metropole mit einem Fassungsvermögen von kaum mehr als 50 Zuschauern gezeigt wurde.
Es ist eine Komödie geworden, nicht so sehr eine ernstgemeinte Euro-Kritik. Statt Hänsel und Gretel irren ein Kerl namens Mark (Stephen Emery) und seine Halbschwester Gilda (was im Englischen wie das Wort für Gulden klingt) durch den Euro-Wald und finden schließlich ein verlockend süßes Lebkuchenhaus - das europäische Haus. Es gehört „Papa Kohl“ (Luke Storey) und „Madame Mitterrand“. Gilda (Reggie Seeley) ziert sich und will dort auf keinen Fall Schutz suchen. Nicht einmal so sehr der Überzeugungstäter „Papa Kohl“, der im europäischen Märchenwald eine „Währungsschule“ leitet, ist ihr suspekt. Dafür um so mehr die von Noor Lawson in all ihrer Hinterlist verkörperte „Madame Mitterrand“.
Von Ex-Zentralbankchef Jean-Claude Trichet bis zum deutschen Stammtisch in Person eines Berliner Taxifahrers („Ganz Südeuropa wird zu einem einzigen Ostdeutschland“), vom unverständlichen Eurokratentum bis zur fröhlich trällernden Kanzlerin Merkel („I'm Angela from Germany, the Euro is quite safe with me“): Sherriff verteilt eine Breitseite nach der anderen quer durch die Eurozone. Mal als Schenkelklopfer, mal eher nachdenklich.
Mit unverkennbar deutschem „th“ in der Stimme lobt „Papa Kohl“ seinen Whisky trinkenden irischen Währungsschüler, wenn der behauptet: „Wir bauen Häuser, als gäbe es kein Morgen“. „Madame Mitterrand“ tätschelt den griechischen Klassenkameraden, wenn der sich brüstet: „Wir gehen alle mit 43 in Ruhestand.“ Spätestens wenn der französische Präsident aus voller Brust tönt: „My name is Sarkozy, all the nations look at me!“ - kann sich im Zuschauerraum kaum mehr jemand gerade auf dem Sitz halten.
„Eurocrash“ ist eine Low-Budget-Produktion. Die Schauspieler haben Mehrfachrollen, das Bühnenbild ist spartanisch. Die Fahrt von Berlin nach Frankfurt wird die Bahn spendieren, die Truppe darf nur das nötigste mit nach Deutschland nehmen, um Gepäckkosten zu sparen. Improvisationstalent war den Schauspielern auch bei der Vorbereitung auf ihre Rollen abverlangt. „Ich habe ihn stundenlang auf Youtube studiert“, sagt etwa Kohl-Darsteller Luke Storey über das Vorbild für seine Rolle. Aus persönlicher Erinnerung kennt er Kohl nicht mehr. „Der Mann ist 60 Jahre älter als ich.“