Umfrage Große Summen, große Sorgen: Tabuthema Erbschaft
Frankfurt/Main · Streit ums Erbe wollen die meisten vermeiden. Viele Menschen würden am liebsten frühzeitig alles regeln. Doch nur eine Minderheit tut es.
Jedes Jahr wird in Deutschland ein Vermögen vererbt: Geld und Gold, Häuser und Wohnungen, Aktien und andere Wertpapiere. Immer mehr Menschen planen eine Erbschaft für die eigene Altersvorsorge ein - doch zu Lebzeiten offen und rechtzeitig miteinander über das Erben und Vererben reden tun die wenigsten, wie eine Allensbach-Umfrage im Auftrag der Deutschen Bank ergab.
„Grundsätzlich befassen sich große Teile der Bevölkerung sowie der Erben und Erblasser nur ungern mit dem Thema Erbschaften“, heißt es in der Analyse. Knapp zwei Drittel (64 Prozent) der 1.068 Befragten antworteten entsprechend. Im Vergleich zu den vorherigen Umfragen 2015 und 2018 habe „der Unwillen der Bevölkerung, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, eher zugenommen“.
Große Sorgen vor Erbstreitigkeiten
Jeweils gut 50 Prozent der potenziellen Erblasser und der bisherigen Erben sowie 69 Prozent der künftigen Erben ist es eher unangenehm, sich über dieses Thema Gedanken zu machen. Zugleich wünschen sich unverändert vier von zehn Befragten (41 Prozent) in ihrem persönlichen Umfeld mehr Offenheit in solchen Fragen.
Denn sowohl bei denjenigen, die voraussichtlich etwas vererben werden, als auch bei künftigen Erben steht eines ganz oben auf der Wunschliste: dass es keinen Streit ums Erbe gibt. 71 Prozent der künftigen Erben legen besonderen Wert darauf, dass die Aufteilung des Erbes klar geregelt ist, 67 Prozent der potenziellen Erblasser sehen das ebenso.
Die wenigsten haben ein Testament
Dennoch schreibt nur eine Minderheit ihren letzten Willen fest. Gut ein Drittel (35 Prozent) derjenigen, die voraussichtlich etwas vererben werden, hat nach eigenen Angaben bereits ein Testament gemacht. 2018 hatten dies noch 39 Prozent der Befragten angegeben.
Vor allem ältere Menschen regeln ihr Erbe, im Durchschnitt verfassen potenzielle Erblasser mit knapp 58 Jahren ein Testament. Von den unter 50-Jährigen gaben gerade einmal 11 Prozent an, ein Testament zu haben. Das zeige, dass junge Familien oft unvorbereitet seien, so die Schlussfolgerung der Deutschen Bank.
Vererbte Vermögen wachsen
Im Jahr 2023 summierten sich Erbschaften und Schenkungen in Deutschland ausweislich amtlicher Zahlen auf den Rekordwert von 121,5 Milliarden Euro. Das waren fast 20 Prozent mehr als ein Jahr zuvor - und die Gesamtsumme der übertragenen Vermögen war sogar noch höher, weil die Steuerstatistik Erbschaften und Schenkungen nicht abbildet.
Auch die Erwartungen künftiger Erben werden größer: Gut ein Drittel (34 Prozent) rechnet der Analyse zufolge mit einer Erbschaft von 250.000 Euro oder mehr. Bei der Befragung 2018 nannten 22 Prozent der Befragten einen solchen Betrag. Der Anteil derjenigen, die eine Erbschaft für ihre eigene Altersvorsorge einsetzen wollen, hat ebenfalls zugenommen: von 52 Prozent 2018 auf 60 Prozent in der aktuellen Umfrage.
Der Elefant im Raum
Nur wann soll man das heikle Thema Erbschaft am ehesten ansprechen? Die Initiative für ein Gespräch sehen die Deutschen mit großer Mehrheit (82 Prozent) bei demjenigen, der etwas vererben wird. Sofern es zu einem Gespräch kommt, geschieht das meist nach Schicksalsschlägen oder Todesfällen - kaum bei Familienfeiern wie etwa an Weihnachten.
Vier von zehn Befragten (39 Prozent) meinen, wenn ein Familienmitglied oder ein Freund schwer erkrankt, sei dies ein Anlass, über das Thema Erben ins Gespräch zu kommen. Für 28 Prozent wäre der Tod eines nahestehenden Menschen der Zeitpunkt. Familienfeiern finden 17 Prozent der Befragten passend.
Raffael Gasser, Leiter Wealth Management & Private Banking Deutschland der Deutschen Bank, rät: „Wer die Vermögensnachfolge frühzeitig mit Familie und Experten diskutiertund professionell gestaltet, vermeidet Missverständnisse und Konflikte - zum Wohlder Erblasser wie auch der Erben.“
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