EZB startet Massenkauf von Staatsanleihen: Wem hilft Draghi?
Frankfurt/Main (dpa) - Europas Währungshüter haben die Notenpresse angeworfen: Seit Montag und mindestens bis September 2016 wollen sie Monat für Monat für 60 Milliarden Euro Staatsanleihen und andere Wertpapiere kaufen.
Warum startet die EZB umfangreiche Anleihenkäufe?
Die Preisentwicklung im Euroraum bereitet den Notenbankern Sorgen. Im Januar und Februar sind die Verbraucherpreise auf Jahressicht jeweils gesunken. Deshalb befürchten die Währungshüter eine Deflation, also einen anhaltenden Preisrückgang quer durch die Warengruppen. Das könnte dazu führen, dass Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen in Erwartung weiterer Preissenkungen verschieben und die Wirtschaft erlahmt. Dies will die EZB mit den Käufen verhindern: „Das Programm wird dazu beitragen, die Inflation wieder auf ein Niveau zurückzuführen, das mit dem Ziel der EZB im Einklang steht.“ Die EZB strebt eine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent an.
Hat die EZB keine anderen Mittel?
Im Prinzip schon, doch sie hat ihr Pulver weitgehend verschossen. Das gilt vor allem für die Zinsen, mit denen die Geldpolitiker eigentlich die Inflation steuern: Eine Zinssenkung verbilligt Kredite und soll Konjunktur wie Inflation antreiben. Doch die EZB hat den Leitzins schon auf 0,05 Prozent gesenkt, also quasi abgeschafft. „Gäbe es noch Spielraum, so hätte die EZB die Leitzinsen bereits gesenkt. Da diese Möglichkeit aber nicht mehr bestand, war das Programm zum Ankauf von Vermögenswerten das einzig geeignete Instrument, mit dessen Hilfe die EZB ein ähnliches Ergebnis erreichen konnte“, erklärt die EZB.
Wie soll das Kaufprogramm funktionieren?
Die EZB kauft Wertpapiere am Sekundärmarkt - also nicht direkt bei Staaten, sondern bei Banken oder Versicherern. So wird Geld ins Finanzsystem geschleust. Die EZB erwartet, dass das Programm den Unternehmen in ganz Europa helfen wird, leichter Zugang zu Krediten zu erhalten. Das werde die Investitionstätigkeit steigern, Arbeitsplätze schaffen und das Wirtschaftswachstum insgesamt stützen. Dafür druckt sich die EZB quasi selbst Geld, die Menge (Quantität) des Zentralbankgeldes nimmt zu, daher der Begriff „Quantitative Lockerung“ (QE).
Gibt es Kritik an den Staatsanleihenkäufen?
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann befürchtet, dass der Reformeifer in Krisenländern nachlassen könnte - schließlich wird das Schuldenmachen billiger, wenn die EZB als großer Akteur auf den Plan tritt. Kritiker werfen der EZB zudem vor, sie finanziere letztlich Staatsschulden mit der Notenpresse. Das mache die Notenbank abhängig von den Staaten und gefährde ihre Unabhängigkeit. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn hält der EZB vor, es gehe ihr gar nicht um die Preisentwicklung, sondern um die Abwertung des Euro: „Doch das darf die EZB nicht sagen, denn eine Wechselkurspolitik ist nicht ihr Auftrag.“ Ähnlich sieht das Anton F. Börner, Präsident es Außenhandelsverbands BGA: Die EZB habe eine Tür geöffnet, hinter der die Gefahr eines Abwertungswettlaufes lauere.
Wie wirkt die Geldflut?
Bislang vor allem wie ein Schmierstoff für Aktienmärkte. Da viele andere Geldanlagen wegen der niedrigen Zinsen kaum noch etwas abwerfen, stecken Investoren ihr Geld in Aktien. Die Kurse steigen. Experten warnen, dass dadurch Blasen an den Aktienmärkten entstehen können. Ähnliches gilt für Immobilienmärkte. Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sieht die Gefahr, dass viele Anleger auf der Suche nach Rendite zu Vermögenswerten greifen, die sie bisher wegen deren Risiken gemieden haben: „Die Entstehung von Preisblasen wird damit wahrscheinlicher, und das könnte zu einem Problem für die Stabilität des Finanzsystems werden.“
Wie reagiert der Euro?
Der Euro verliert wegen der lockeren Geldpolitik massiv an Wert gegenüber dem Dollar. Das hilft der Exportwirtschaft: Produkte „Made in Germany“ sind auf den Weltmärkten in Dollar billiger. Das kann die Konjunktur beflügeln. Allerdings: Für Verbraucher begrenzt der schwache Euro die Effekte gesunkener Ölpreise, weil Rohöl und Benzin international in Dollar gehandelt werden. Mit anderen Worten: Wäre der Euro stärker, wäre Sprit in Deutschland billiger. Und: Reisen in Nicht-Euroländer wie die Schweiz oder die USA werden teurer.
Welche Papiere kauft die EZB?
Die EZB will Papiere von Eurostaaten, von internationalen Institutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB) oder von nationalen Förderbanken wie der KfW kaufen. Bei Staatsanleihen gilt: Gekauft werden nur Papiere von guter Bonität. Anleihen, die von Ratingagenturen als Ramsch gewertet werden, sind außen vor - es sei denn, das Land befindet sich in einem Sanierungsprogramm der EU und erfüllt alle Sparauflagen. Die Überprüfung des Programms muss abgeschlossen sein. Damit ist im Moment ausgeschlossen, dass die EZB Anleihen Zyperns oder Griechenlands kauft.
Was heißt das alles für Sparer?
Die Anleihekäufe haben keine direkte Auswirkung auf die Zinsen auf Sparbuch und Co. Allerdings dürfte die EZB die Leitzinsen nicht erhöhen, solange das milliardenschwere Programm läuft. Die Zeiten bleiben also noch eine ganze Weile hart für Sparer. Die Deutsche Kreditwirtschaft kritisiert schon länger, dass die Geldpolitik der EZB die Sparer belastet und die private Altersvorsorge gefährdet. Die Renditen auf Staatsbonds wie Bundesanleihen dürften hingegen durch die Käufe weiter nach unten gedrückt werden. Das trifft Besitzer von Anleihen oder Anleger, die Geld in Anleihenfonds investiert haben. Auch das Geld der Lebensversicherer steckt vor allem in Staatsanleihen. Hingegen profitieren Staaten. Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dürfte sich freuen: Deutschland kann sich noch günstiger Geld am Kapitalmarkt besorgen.