Furcht vor dem Euro-Kollaps
Politik zeigt sich ratlos nach der Börsen-Talfahrt.
Berlin. Für Teile von Tirol waren Gewitter und Regen angesagt. Die Wettervorhersage passte zur Weltuntergangsstimmung, die an den Finanzmärkten vorherrschte. Und zum Urlaubsprogramm der Kanzlerin. Kein gutes Buch, sondern ein Krisentelefonat mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy war angesagt.
Angesichts der dramatischen Börsen-Talfahrt weiß Angela Merkel, dass mit der erneuten Eskalation der Euro-Schuldenkrise das Regieren in Berlin noch ungemütlicher wird. Schon bei der zweiten Milliarden-Notinfusion für den Patienten Griechenland gab es in den eigenen Reihen lautes Murren.
Merkel, FDP-Chef Philipp Rösler und die Fraktionsspitzen hielten die eigenen Reihen aber geschlossen. Zeit und Ruhe kaufen, hieß die Devise. Denn im Herbst steht die Abstimmung über den neuen, dauerhaften Krisentopf ESM an, für den Deutschland 22 Milliarden Euro nach Brüssel trägt. Jetzt aber, nur zwei Wochen nach dem Athen-Gipfel, könnte es bereits um Alles gehen.
An den Märkten regiert wieder Panik. Die Angst vor einem Schuldencrash der gesamten Euro-Zone, einer neuen US-Rezession und einer möglichen Vollbremsung der Weltwirtschaft reißt die Börsen in die Tiefe. Zunehmend ratlos scheint nun die Politik zu sein — die zu Recht neue Risiken im Wochentakt vermeiden und nicht jede Volte der Finanzprofis mitmachen will. Ganz unschuldig an der wieder aufgeflammten Unruhe sind die Politiker aber nicht.
Wütend reagierte die Bundesregierung auf das Solo von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso für mehr Rettungsgeld. „So eine Debatte kommt zur Unzeit“, schimpfte Vizekanzler Rösler. In Regierungskreisen wird eiskaltes Kalkül vermutet. Der frühere portugiesische Regierungschef wolle wohl die Panik an den Märkten nutzen, um im Sinne von Südeuropas Schuldensündern Portugal, Griechenland, Italien oder Spanien gemeinsame Euro-Anleihen zu erzwingen.
Das ginge auf Kosten des strengen Zuchtmeisters Deutschland, der als Klassenbester dann seine Topnote bei der Kreditwürdigkeit den maladen Partnern zur Verfügung stellen müsste. In der Union setzt man darauf, dass Merkel und ihr Finanzminister Wolfgang Schäuble hart bleiben. Auch aus der FDP heißt es, der Teufelskreis müsse durchbrochen werden. Euro-Länder, die lange über ihre Verhältnisse gelebt hätten, müssten Wirtschaft und Haushalt sanieren und nicht noch mehr Geld verfeuern. Was aber passiert, wenn die Schuldenkrise am Ende doch außer Kontrolle gerät?
Ein Kollaps der Euro-Gruppe gilt als Horrorszenario. Das weltweit bewunderte Projekt Europa, seit Jahrzehnten Garant für Frieden und Wohlstand, käme in Gefahr. Mit schlimmen Folgen für die Exportnation Deutschland. Die heimische Wirtschaft profitiert wie keine andere vom Binnenmarkt.