Keine Chance für Schlichtung GDL-Streik macht Pendlern und Reisenden das Leben schwer
Berlin/Frankfurt (dpa) - Der längste Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn macht Millionen Pendlern und Reisenden das Leben schwer. Die Lokführergewerkschaft GDL weitete am Dienstag ihren Ausstand auf Fernzüge, Regionalbahnen und S-Bahnen in ganz Deutschland aus.
Im Osten Deutschlands fuhr in einigen Gebieten kaum ein Regionalzug. Die Ausfallquote lag dort nach Bahn-Angaben bei 85 bis 95 Prozent. Der fast einwöchige Arbeitskampf, der am Montag im Güterverkehr begann und bis Sonntag dauern soll, ist der achte im derzeitigen Tarifkonflikt.
Möglicherweise kommt am Mittwoch Bewegung in den Tarifkonflikt. Dann will die Bahn einen „Vorschlag zur Befriedung der Lage“ unterbreiten, wie Bahnchef Rüdiger Grube in der „Bild“-Zeitung (Mittwoch) ankündigte. Dazu planen die beiden eine Pressekonferenz, wie es in Unternehmenskreisen hieß. Ort und Zeit wurden zunächst nicht genannt.
Den angekündigten Vorstoß der Bahnspitze zur Lösung des Konflikts werde man bewerten, wenn er vorliegt, sagte GDL-Sprecherin Gerda Seibert in Frankfurt. Es sei aber klar, dass über Grundrechte der GDL-Mitglieder nicht verhandelt oder geschlichtet werden könne. Die Gewerkschaft geht von einer unverändert hohen Beteiligung ihrer Mitglieder an dem Arbeitskampf aus. Pro Tag seien rund 3000 Lokführer im Streik, berichtete Seibert.
Viele Menschen nahmen das Auto und gerieten vor allem in den Ballungsgebieten in sehr dichten Verkehr - weitaus dichter als an normalen Arbeitstagen. „Wer keine Alternative zum Auto hat, steht fast zwangsläufig im Stau“, sagte eine Sprecherin des Automobilclubs ADAC. Die Wirtschaft befürchtet wegen der langen Streikdauer Millionenschäden. Allein die Bahn-Bilanz belastet jeder Streiktag mit zehn Millionen Euro.
Die Bahn will im Fernverkehr auch am Mittwoch und Donnerstag etwa ein Drittel des sonst üblichen Verkehrs auf die Schiene bringen. Am Dienstag sei der Zugverkehr nach Ersatzfahrplänen Angaben des Unternehmens zufolge stabil gelaufen, sagte Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg. Jeder dritte Fernzug fahre, im Regionalverkehr seien es im Westen 50 bis 60 Prozent der Züge, im Osten teilweise nur 5 bis 15 Prozent. Dort gibt es kaum beamtete Lokführer, die nicht streiken dürfen.
Auch die S-Bahnen waren stark beeinträchtigt. In Hamburg fuhren sie auf den Stammlinien im 20-Minuten-Takt. In Berlin wurde etwa die Hälfte der Linien ebenfalls im Abstand von 20 Minuten bedient. Im Rhein-Main-Gebiet fuhren die meisten Linien im Stunden-Takt oder fielen gleich ganz aus.
Der Streik wird nach Einschätzung von Ökonomen auch die Wirtschaft vorübergehend bremsen. Die Kosten in dem aktuellen Bahnstreik könnten sich auf bis zu 750 Millionen Euro summieren, wie Konjunkturexperte Stefan Kipar von der BayernLB erklärte. Noch gefährlicher schätzen Ökonomen die langfristigen Folgen ein - denn der Ruf des Standorts Deutschland könnte Schaden nehmen.
Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) befürchtet nach drei bis vier Tagen Streik Produktionsunterbrechungen, weil die Logistikketten unterbrochen sind. Besonders betroffen seien Branchen, deren Güter nicht so einfach auf Lastwagen oder Schiffe umgeladen werden können - also die Stahlindustrie, aber auch der Fahrzeugbau und die chemische Industrie.
Die Belastung von zehn Millionen Euro pro Streiktag in der Bahn-Bilanz ergebe sich aus Einnahmeausfällen im Personen- und Güterverkehr sowie Kosten etwa für Ersatzfahrpläne und Kundeninformation, erklärte Homburg.
Die Rufe, den seit Juli 2014 dauernden Konflikt mit Hilfe externer Hilfe endlich zu lösen, werden indes immer lauter. Mehrere Unionspolitiker forderten eine Zwangsschlichtung. Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Fuchs (CDU), sprach sich in der „Bild“-Zeitung (Dienstag) für die Einführung eines gesetzlichen Schlichtungsverfahrens im Bahn- und Luftverkehr aus.
Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zeigte sich offen für eine strengere Reglementierung im Bereich der Verkehrsnetze. „Das Ausmaß eingeschränkter Mobilität, das wir in diesem Tarifkonflikt erleben, kann man sich nicht ständig wiederholend leisten“, sagte der CSU-Politiker dem „Münchner Merkur“ (Dienstag). Der Fahrgastverband Pro Bahn regte stattdessen an, einen Moderator einzuschalten.
Der GDL-Vorsitzende Claus Weselsky hatte am Montagabend erneut die von der Bahn vorgeschlagene Schlichtung abgelehnt. Es gehe um grundgesetzlich geschützte Rechte der GDL-Mitglieder, sagte er im ZDF. „Wir lassen nicht über Grundrechte schlichten.“
Der Konflikt ist auch deshalb so schwierig, weil die GDL mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) teils für die selben Beschäftigtengruppen Tarifverträge abschließen wollen. Die Bahn will für die Mitglieder beider Gewerkschaften ähnliche Abschlüsse erzielen.