Gerüchte über Stresstest-Durchfaller
Madrid/Frankfurt/Main (dpa) - Monatelang wurden Europas wichtigste Banken auf Herz und Nieren durchgecheckt. Schon Tage vor Veröffentlichung der Ergebnisse am Sonntag beginnt nun die Gerüchteküche zu brodeln.
Einem Bericht über angeblich elf Durchfaller widerspricht die Europäische Zentralbank (EZB) indes strikt: „Alles zu diesem Zeitpunkt ist Spekulation“, sagte eine Sprecherin am Mittwoch auf Anfrage. „Die finalen Ergebnisse gibt es an diesem Sonntag.“
Mindestens elf Banken sollen nach Informationen der spanischen Nachrichtenagentur Efe beim europäischen Banken-Stresstest durchgefallen sein. Das würde bedeuten: Sie sind nach Ansicht der Aufsichtsbehörden zu schwach auf der Brust und müssen ihre Kapitalpuffer stärken.
Deutsche Banken seien nicht darunter, meldete die Agentur unter Berufung auf Finanzkreise. Die Agentur räumte allerdings ein, dass die Informationen nur vorläufig seien und sich bis zur Bekanntgabe der offiziellen Ergebnisse des Stresstests noch ändern könnten.
Laut EZB haben die Banken selbst noch keine abschließenden Resultate. Sie sollen diese an diesem Donnerstag bekommen, um genügend Zeit für Reaktionen zu bekommen. Endgültig feststehen würden die Zahlen erst, wenn der EZB-Rat diese am Sonntag absegnet. Durchgefallene Institute haben dann sechs bis neun Monate Zeit, um die Lücken zu schließen.
Der staatliche zyprische Rundfunk (RIK) zitierte am Mittwoch eine Quelle „auf höchster Ebene“, der Bericht aus Spanien stimme nicht. Und in Athen berichtet die dortige Finanzpresse unter Berufung auf hochrangige Bankenkreise, alle vier griechischen Banken würden die Stresstests - mit einem kleinen Zusatz-Kapitalbedarf - bestehen. Dem Efe-Bericht zufolge sollen angeblich drei griechische Banken und ein Institut aus Zypern zu den Durchfallern zählen.
Die EZB hatte in den vergangenen Monaten im gesamten Euroraum 130 Geldinstitute durchleuchtet. Dabei schaute sie sich zunächst direkt die Bilanzen der Banken an und schickte sie anschließend auf eine Teststrecke, bei der sie einen simulierten Wirtschaftseinbruch samt Verfall von Immobilienpreisen durchzustehen hatten. Im Kern geht es um die Frage: Verfügen die Institute über genügend eigenes Kapital, um im Fall einer solchen neuen Krise nicht in die Knie zu gehen.
Viele Banken haben angesichts der Tests bereits reagiert. So beschafften sich etwa im zweiten Quartal die Deutsche Bank und die italienischen Monte dei Paschi frische Milliarden über Kapitalerhöhungen. Andere Geldhäuser schrieben Altlasten in ihren Bilanzen radikal ab. Die portugiesische Banco Espírito Santo (BES) wurde bereits im Sommer aufgespalten. Die österreichische ÖVAG wird im nächsten Jahr als Spitzeninstitut des österreichischen Volksbankensektors abgewickelt.
Hintergrund der Prüfungen ist der Start der Bankenaufsicht bei der EZB als Teil der neuen Bankenunion. Die Notenbank in Frankfurt übernimmt am 4. November die zentrale Kontrolle über die 120 wichtigsten Banken in der Währungsunion - und muss dazu genau über den Zustand der Kreditwirtschaft Bescheid wissen. Mit den Checks will die EZB sicherstellen, dass ihr nach der Übernahme der Bankenaufsicht keine bösen Überraschungen drohen. Mit der Bankenunion will die Politik wieder mehr Vertrauen in die Stabilität des Sektors bringen.
Mit Aufsicht, Stresstests und strengeren Kapitalanforderungen an die Banken werden Lehren aus der Finanzkrise 2008 gezogen. Damals gerieten etliche Institute ins Wanken und wurden zum Teil mit Steuermilliarden vor dem Zusammenbruch gerettet. Die damalige Krise hat auch gezeigt, dass Schieflagen wichtiger Banken das gesamte Finanzsystem lähmen können - zum Beispiel weil das Vertrauen der Banken untereinander verloren geht und sie sich kein Geld mehr leihen. Fachleute nennen die größeren Banken deswegen auch „systemrelevant“. Dem Stresstest mussten sich unter Leitung der europäischen Bankenaufsicht EBA auch andere Großbanken in der EU stellen, die nicht zur Eurozone gehören - beispielsweise im wichtigen Bankenmarkt Großbritannien.